Wechselmodell und Kindesunterhalt
Wechselseitige Betreuung des Kindes nach der Trennung
Immer häufiger kommen Eltern überein, ihr Kind nach der Trennung wechselseitig zu betreuen, den Lebensmittelpunkt des Kindes also bei beiden Elternteilen zu begründen.
Das Kind ist dann zwar bei einem Elternteil polizeilich gemeldet, der auch das Kindergeld erhält, dieses Geld wird aber einvernehmlich geteilt. Weiter beteiligen sich die Eltern am monatlichen Bedarf des Kindes entweder hälftig oder anteilig nach der Höhe ihres Einkommens.
Überkommene Vorstellungen zum Wechselmodell
Es ist eine gesellschaftliche Entwicklung in Gang gekommen, die der Gesetzgeber, die Wissenschaft und die Gerichte nicht für möglich gehalten haben. Teilweise gilt dort immer noch, dass das Kind für eine geordnete Entwicklung spätestens ab Schulbeginn einen festen Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil benötigt. Dabei ist das wissenschaftlich nicht belegt. Demgegenüber liegen inzwischen wissenschaftliche Studien aus Schweden vor, wonach Trennungkinder im Wechselmodell zufriedener sind, als Kinder im Residenzmodell.
Heutige Realität bei der Betreuung des Kindes
Die Lebenswirklichkeit sieht anders aus: Immer mehr Väter beteiligen sich an der Betreuung des Kindes schon vom Säuglingsalter an. Sie nehmen Erziehungszeit in Anspruch oder reduzieren ihre Arbeitszeit, um auch für das Kind da zu sein. Nach der Trennung der Eltern hat das Kind zu beiden Elternteilen eine feste Beziehung geknüpft. Dann gibt es sich nicht mehr damit zufrieden, den einen Elternteil nur alle zwei Wochen über das Wochenende zu sehen. Viele Mütter wollen neben der Familie eine befriedigende berufliche Entwicklung machen. Sie wollen nicht mehr ausschließlich und auf Dauer an Haushalt und Kinder gebunden sein. Aus diesem Bedürfnis heraus praktizieren immer mehr Eltern das Wechselmodell, in der Regel wöchentlich im Wechsel, aber auch auf andere Art, passend zu ihrem Leben.
Unübersichtliche Rechtslage beim Wechselmodell
Das Wechselmodell ist bis heute gesetzlich nicht geregelt. Da es aber in der Realität besteht und zu Konflikten führen kann, waren die Rechtsprechung und die Rechtsliteratur bemüht, die Versäumnisse des Gesetzgebers zu kompensieren. Daraus hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher und teilweise gegensätzlicher Gerichtsentscheidungen und Berechnungsmodelle zum Unterhalt entwickelt. Inzwischen sind einige Bereiche, wenn auch nicht zufriedenstellend, gerichtlich geregelt. So ist Kindesunterhalt auch beim paritätischen Wechselmodell zu zahlen. Siehe BGH Beschluss vom 11.1.2017, Az. XII ZB 565/15) und hiesige Anmerkung)
Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils
Immer mehr Gerichte ordnen inzwischen das Wechselmodell gegen den Willen des anderen Elternteils an, wenn es vorher schon praktiziert wurde und sich die Kinder dafür aussprechen. Siehe Artikel Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils – OLG Hamburg 17.12.2015. Viele Gerichte lehnten das aber bislang mangels gesetzlicher Regelung ab. Mit Beschluss vom 1.2.2017 hat der BGH jetzt die Anordnung des Wechselmodells im Umgangsverfahren für richtig befunden (Vgl. BGH Beschluss vom 1.2.2017). Allerdings verlangt er ähnlich wie beim gemeinsamen Sorgerecht eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern, die selten gegeben ist, wenn sich die Eltern um das Wechselmodell streiten.
BGH hat nun die Berechnung des Kindesunterhalt beim Wechselmodell festgelegt
Eigentlich sollte man meinen, dass beim Wechselmodell jeder Elternteil nach seinen finanziellen Möglichkeiten den Bedarf des Kindes deckt und das Kindergeld geteilt wird.
Rechtsprechung und Rechtsliteratur hatten demgegenüber diverse, komplizierte und wenig überzeugende Berechnungsmodelle entwickelt, die alle auf die Bevorzugung des einkommensschwächeren Elternteils hinauslaufen. Mit Beschluss vom 11.1.2017 hat der BGH der ungerechten, komplizierten und überflüssigen Berechnung des Kindesunterhalts durch das OLG Dresden den Vorzug vor anderen Berechnungsansätzen gegeben. (vgl. BGH Beschluss vom 11.1.2017, Az. XII ZB 565/15).
Trotz dieser Entwicklung wird weiterhin um die Residenz des Kindes im eigenen Haushalt gestritten weil es dann noch mehr Kindesunterhalt gibt.
Wechselmodell teilweise „erkauft“
Oft funktioniert das Wechselmodell nur deshalb, weil der eine Elternteil dem anderen Elternteil Kindesunterhalt bezahlt. Zusätzlich beteiligt er sich am Bedarf des Kindes beteiligt, wenn es sich bei ihm aufhält. In dem Augenblick, in dem diese Unterhaltszahlungen eingestellt werden, kommt es häufig zu Störungen. Der andere Elternteil beantragt dann das Sorgerecht für sich und versucht, per Gericht den Aufenthalt des Kindes in seinem Haushalt zu begründen, um weiterhin Kindergeld und Kindesunterhalt für sich reklamieren zu können.
Berechnung des Kindesunterhalts beim Wechselmodell
Da beide Eltern das Kind betreuen, wird im Gegensatz zur Unterhaltsaufteilung bei volljährigen Kindern geschaut, wie das Kindergeld, das immer nur ein Elternteil erhält, aufzuteilen ist. Ob und in welcher Höhe das Kindergeld auf den Bedarf des Kindes anzurechnen ist, wird bislang unterschiedlich beurteilt.
Bedarfsermittlung beim Wechselmodell
Beim Wechselmodell wird der Bedarf des Kindes nach dem zusammengerechneten Nettoeinkommen der Eltern ermittelt. Der Bedarf liegt damit bereits deutlich höher, als beim Residenzmodell. Dort richtet er sich nur nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Umstritten war, ob und wenn ja, in welcher Höhe das Kindergeld auf den Bedarf des Kindes anzurechnen ist. Dabei hat sich die Auffassung durchgesetzt, es sei nur die Hälfte des Kindergeldes anzurechnen. Der BGH hat diese Frage am 11.1.2017 entschieden. Siehe die Beiträge BGH – Kindesunterhalt auch im Wechselmodell bzw. Doppelresidenzmodell und Kindesunterhalt beim Wechselmodell – BGH soll entscheiden
Mehrbedarf durch das Wechselmodell
Weitere Erhöhungen sollen sich durch Mehrbedarf ergeben, der durch das Wechseln des Kindes von einem zum anderen Elternteil eintritt. Hierzu gehört auch der zusätzlicher Wohnbedarf, der in komplizierten Rechenschritten zu ermitteln ist.
Auch Fahrtkosten sollen typischer Mehrbedarf sein, die durch das Wechselmodell entstehen, wenn die Eltern weit auseinander wohnen.
Berechnung des Unterhaltsanteils (Haftungsquote) der Eltern
Seit BGH-Urteil vom 5.11.1985, Az. IV b 69/84 ist vor Ermittlung der Haftungsquote bei jedem Elternteil der angemessene Selbstbehalt von derzeit 1.300,00 € vom Nettoeinkommen abzuziehen. Alle Deutschen Oberlandesgerichte haben das in Ziff.13.3 ihrer Unterhaltsleitlinien festgeschrieben. Dadurch verschiebt sich die Haftungsquote zulasten des einkommensstärkeren Elternteils, z.B. von 65 % auf 90 % und mehr.
Unterschiedliche Rechenansätze zur Behandlung des Kindergeldes
Ein Elternteil erhält das Kindergeld für ein Kind alleine. Eine Teilung sieht das Gesetz nicht vor. Andererseits betreut er aber zur Hälfte das Kind. Wie dieser Fall gerecht zu regeln ist, war lange umstritten. Es hatten sich unterschiedliche Rechenansätze entwickelt, in welcher Höhe das Kindergeld zu berücksichtigen ist und ob und wieviel davon beim einkommensschwächeren Elternteil verbleiben darf.
Kritik an der Berechnung durch den BGH
Das Berechnungsmodell ist kompliziert, ungerecht und überflüssig.
Vorwegabzug des Sockelbetrages vom Nettoeinkommen gesetzeswidrig
Wird das Kind ausschließlich von einem Elternteil betreut, muss der andere Elternteil den Tabellenunterhalt bezahlen. Der betreuende Elternteil erbringt seinen Unterhalt durch Naturalleistung. Ein wenig verdienender Elternteil muss wenigstens den Mindestunterhalt zahlen, unabhängig von seinem tatsächlichen Nettoeinkommen. Er muss sogar eine Nebenbeschäftigung aufnehmen, wenn er durch den Unterhalt unter seinen Notbedarf von derzeit 1.080,00 € kommt.
Beim Wechselmodell, in dem auch die verschärfte Haftung gilt, verbleibt ihm durch den Vorwegabzug sein angemessener Selbstbehalt von derzeit 1.300,00 €. Darüberhinaus reduziert sich seine Unterhaltsquote und ist deutlich niedriger, als das rechnerische Ergebnis. Ein Grund für diese Ungleichbehandlung von Residenz- und Wechselmodell ist nicht erkennbar.
Der BGH fühlt sich an seine fortschrittlichen Urteilen zur Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung nicht mehr gebunden
Der Bundesgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 1.6.2011, Az. XII ZR 45/09 von allein erziehenden Müttern verlangt, ernst gemeinte Angebote der Väter zur Mitbetreuung des Kindes anzunehmen und die eigene Erwerbstätigkeit auszuweiten. Deshalb war zu hoffen, dass er die Betreuung im Wechselmodell fördert und nicht durch ungerechte Quotenbildung, reduzierte Anrechnung des Kindergeldes und andere Berechnungstricks zunichte macht.
Gesetzgeber sollte dringend tätig werden
Daher ist Gesetzgeber gefordert, endlich klare Regeln aufzustellen. Dann würde es deutlich weniger Gerichtsverfahren um das Sorgerecht und das Umgangsrecht geben, die allein von finanziellen Motiven geprägt sind.