Zugewinnausgleich – Beweis des Anfangsvermögens
Beim Zugewinnausgleich ist der Beweis des Anfangsvermögens trotz der gesetzlichen Beweiserleichterungen seit September 2009 immer noch ein großes Hindernis, auch verschwundenes Vermögen auszugleichen. Daher ist die vorliegende Entscheidung immer noch aktuell.
Anm. Maes zu BGH, Urteil vom 20.7.2005 – XII ZR 301/02, in jurisPR-FamR 23/2005 vom 15.11.2005
Leitsatz
Zur Darlegungs- und Beweislast eines zugewinnausgleichspflichtigen Ehegatten, wenn streitig ist, ob ein nach § 1374 Abs. 2 BGB privilegiertes Anfangsvermögen ihm allein oder beiden Ehegatten anteilig zuzurechnen ist.
A. Problemstellung
Die Entscheidung zum Zugewinnausgleich befasst sich mit dem Beweis des Anfangsvermögens. Konkret geht es um die Darlegungs- und Beweislast des ausgleichspflichtigen Ehegatten im Zugewinnprozess, der sich für sein privilegiertes Anfangsvermögen auf eine Alleinerbschaft beruft. In diesem Zusammenhang waren Wirksamkeit und Inhalt eines von den Ehegatten einvernehmlich vernichteten Testaments zu prüfen, dessen Fotokopie noch vorhanden war.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Sachverhalt
Die Eheleute stritten über die Frage, wem ein Grundstück im Anfangsvermögen zuzurechnen ist, das durch Testament einer Tante des Ehemannes beiden Ehepartnern zugewandt wurde. Sie hatten das Testament einvernehmlich zerrissen, worauf der Ehemann einen später als unrichtig eingezogenen Erbschein erwirkte, der ihn als Alleinerben auswies. Das Oberlandesgericht ordnete in seiner Entscheidung beiden Eheleuten das zugewandte Grundstück jeweils zur Hälfte dem Anfangsvermögen zu.
Argumente des BGH
Echtheit des Testaments
Die hiergegen gerichtete Revision des Ehemannes wies der BGH als unbegründet zurück. Das OLG habe die Echtheit des Testaments im Tatbestand mit Beweiskraft festgestellt und sich dabei widerspruchsfrei auf das noch vorhandene, fotokopierte Original berufen.
Außerdem habe der Ehemann die Echtheit des nicht mehr vorhandenen Originaltestamentes nur schlicht bestritten. Er hätte im Einzelnen darlegen müssen, woraus sich Zweifel an der Urheberschaft der Erblasserin ergeben.
Darlegung des Anfangs- und Endvermögens
Beim Zugewinnausgleich gehe es um den Beweis des Anfangsvermögens. Für sein Anfangsvermögen sei der Ehemann ohnehin darlegungs- und beweispflichtig. Weiterer Erklärungsbedarf ergebe sich daraus, dass er einvernehmlich mit seiner Ehefrau das Testament zerrissen und einen Erbschein auf sich allein beantragt habe.
Testierfähigkeit
Auch die von ihm behauptete Testierunfähigkeit der Erblasserin sei unsubstantiiert. Sie ergebe sich nicht bereits daraus, dass drei Jahre nach Errichtung des Testaments die Gebrechlichkeitspflegschaft der Erblasserin angeordnet worden sei. Die Vernichtung des Testamentes sei auch nicht als (formfreie) Ausschlagung eines Vermächtnisses gem. § 2180 Abs. 2 BGB anzusehen. Im vorliegenden Falle sei von einer Erbschaft auszugehen. Das ergebe sich durch Auslegung des Testaments nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB.
Grundstück als wesentliches Vermögen der Ehefrau
Weitere Vermögensgegenstände der Erblasserin seien nicht ersichtlich. Daher sei davon auszugehen, dass es sich bei dem durch Testament zugewandten Grundstück um das wesentliche Vermögen der Erblasserin gehandelt habe. Sie wollte auch subjektiv den Eheleuten nahezu ihr gesamtes Vermögen zuwenden. Deshalb habe sie die Eheleute zu Miterben zu je 1/2 berufen. Das führe dazu, dass die Ehefrau das Erbe nur formgerecht gem. § 1945 BGB durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht habe ausschlagen können. Aber das sei nicht geschehen.
Kein Rechtsmissbrauch der Ehefrau
Die Ehefrau handele auch nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB, wenn sie sich im Zugewinnprozess auf das Testament berufe. Schließlich sei die einvernehmliche Vernichtung der Testamentsurkunde bereits rechtswidrig gewesen. Das gelte auch für die davon gedeckte Erschleichung eines unrichtigen Erbscheins.
Soweit der Ehemann darauf vertraut habe, die Ehefrau wolle ihren Erbteil nicht weiter geltend machen, sei sein Vertrauen nicht schutzwürdig. Im Übrigen habe die Ehefrau unbestritten dargelegt, sie habe an der Manipulation nur im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe mitgewirkt.
Abrede hätte getroffen werden müssen
Schließlich wies der BGH darauf hin, dass eine Abrede hätte getroffen werden können, wonach die Ehefrau im Scheidungsfall beim Zugewinnausgleich so zu stellen ist, als wenn ihr Ehemann Alleinerbe geworden wäre. Diese Abrede hätte der Ehemann allerdings dartun müssen, zumal die Ehefrau geltend gemacht hatte, nur im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe mit den vom Ehemann vorgeschlagenen Manipulationen einverstanden gewesen zu sein.
C. Kontext der Entscheidung
Nach ständiger Rechtsprechung trägt derjenige die Beweislast für die Höhe des Anfangsvermögens im Zugewinnprozess, der sich zu seinen Gunsten darauf beruft. (vgl. BGH, Urt. v. 06.02.1991 – XII ZR 57/90 – NJW 1991, 1741)
D. Auswirkungen für die Praxis
Wenn sich eine Partei im Zugewinnprozess auf die Unwirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen beruft, ist sie mit den strengen Formvorschriften und komplizierten Auslegungsregeln des Erbrechts konfrontiert.
Nahezu unbeweisbar ist die Behauptung, der Erblasser sei zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen, wenn hier keine Zeugen oder andere, konkrete Umstände angeführt werden können.
Nach § 2229 Abs. 4 BGB muss der Erblasser nur im Moment der Errichtung des Testaments testierfähig sein. Daher kann auch ein unter Betreuung stehender, im Altersheim lebender, gebrechlicher Mensch ein wirksames Testament errichten.
Die Vernichtung eines Testaments durch Dritte führt nicht dazu, dass die gesetzliche Erbfolge eintritt, solange feststeht, dass es wirksam errichtet und anschließend nicht wirksam vom Erblasser widerrufen wurde.