Kindesunterhalt bei großem Einkommensgefälle
Bei außergewöhnlich großem Einkommensgefälle zwischen den Eltern kann der eigentlich zu zahlende Kindesunterhalt ganz oder teilweise wegfallen. Allerdings scheinen viele Unterhaltszahler diese relativ neue Rechtslage noch nicht zu kennen. Jedenfalls deuten die nur spärlichen Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema darauf hin.
Kindesunterhalt, wenn die Kinder im Haushalt eines Elternteils leben
Leben die Kinder nach der Trennung bei einem Elternteil, so muss der andere Elternteil regelmäßig Unterhalt zahlen, den so genannten Barunterhalt. Der Unterhalt richtet sich nach seinem Nettoeinkommen. Allerdings ist das Nettoeinkommen zu kürzen, etwa um die private Krankenversicherung, private Altersvorsorge, Ratenzahlungen auf gemeinsame Schulden, die vor der Trennung entstanden sind etc. Nun bemisst sich der Kindesunterhalt nach der jeweiligen Einkommensgruppe und Alterstufe des Kindes der Düsseldorfer Tabelle.
Einschränkung der Unterhaltspflicht
Verdient der betreuende Elternteil mehr als das Doppelte, führt das zu Erleichterungen für den Unterhaltszahler. So muss er beispielsweise keine Nebentätigkeit aufnehmen, falls sein Einkommen nicht ausreicht, den vollen Unterhalt zu zahlen (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss v. 15.2.2011, Az.: 10 UF 106/10).
Wegfall der Unterhaltspflicht laut OLG Dresden
Verdient der betreuende Elternteil dreimal so viel wie der Unterhaltszahler, entfällt die Unterhaltspflicht vollständig: OLG Dresden, Beschluss vom 4.12.2015, Az.: 20 UF 875/15 unter Bezugnahme auf BGH-Urteil vom 10.7.2013, Az.: XII ZB 297/12.
Sachverhalt OLG Dresden
In dem entschiedenen Fall verdiente die barunterhaltspflichtige Mutter als selbstständige Rechtsanwältin weniger als 1.000,00 € im Monat. Der Vater verdiente als Arzt in der Schweiz monatlich mehr als 11.000,00 €. Angesichts dieser Einkommensdifferenz verneinte das OLG Dresden die Unterhaltspflicht der Mutter. Zum einen sei sie leistungsunfähig, zum anderen sei sie nicht verpflichtet, ihre Erwerbstätigkeit aufzustocken bzw. sich um eine Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin zu bewerben. Der Vater, bei dem die Kinder lebten, wird vom Gericht als sogenannter „anderer unterhaltspflichtiger Verwandter“ angesehen. Dieser würde bei Leistungsunfähigkeit eines Elternteils für den Unterhalt haften (vgl. § 1603 Abs. 2 BGB).
Praxistipp
Um herauszubekommen, ob und inwieweit ein außergewöhnlich großes Einkommensgefälle besteht, ist vom betreffenden Elternteil Auskunft zu verlangen (siehe auch Unterhalt nach der Ehe – Grundwissen oder Trennungsunterhalt – Grundwissen). Während der Trennung ergibt sich das Auskunftsrecht aus § 1361 Abs. 4 BGB, nach der Scheidung aus § 1605 BGB, bei nicht verheirateten Eltern aus §§ 1615 l Abs. 3, 1605 BGB. Anhand der Auskunft ist dann das unterhaltsrechtliche Einkommen zu ermitteln und zu schauen, ob es doppelt oder dreifach so hoch ist wie das des Barunterhaltszahlers. Falls ja, kann die Abänderung des Kindesunterhalts gerichtlich durchgesetzt werden.