Wechselmodell und Mediation
Immer häufiger gibt es nach der Trennung Streit um das Wechselmodell bzw. die Doppelresidenz für Kinder. Es sind meistens die Väter, die auf ein Wechselmodell dringen. Sie wollen nach der Trennung mehr sein, als ein Wochenend – Papa, aber sie erhoffen sich oft auch eine Entlastung beim Kindesunterhalt.
Manche Väter gehen sogar davon aus, das Wechselmodell entbinde sie vollständig von der Unterhaltspflicht. Dem ist der BGH in seiner jüngsten Entscheidung vom 11.1.2017 entgegengetreten. Daher ist es noch wichtiger geworden, den Konflikt selber beizulegen und nicht in die Hände des Familiengerichts zu geben.
Probleme für Kinder jenseits der Betreuungsform
Kindern ist es letztlich egal, ob die Eltern sie paritätisch in beiden Haushalten im Doppelresidenzmodell oder schwerpunktmäßig in einem Haushalt im Residenzmodell betreuen.
Aber Kinder wollen weiterhin freien Zugang zu beiden Eltern haben und brauchen hierfür Zustimmung und Unterstützung vom jeweils anderen Elternteil. Daran hapert es oft. Denn die Eltern schaffen es nicht immer, ihre Konflikte nach der Trennung beizulegen. Dann fehlt die gemeinsame Elternverantwortung, um die Kinder optimal in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.
Konflikte der Eltern bei der Trennung
Die meisten Trennungen beruhen auf Konflikten, die schon seit längerer Zeit bestehen. Wenn aber schon das Zusammenleben nicht mehr richtig funktioniert, dann klappt erst recht nicht die Organisation der Trennung. Es kommt regelmäßig zu neuen Konflikten. Häufig tragen die Eltern ihren Streit auf dem Rücken der Kinder aus.
Dann benutzen sie ihre Kinder als Boten für Nachrichten an den anderen, als Berater, als Tröster und Therapeuten. Die Kinder bekommen die Wut auf den anderen Elternteil ab oder müssen sich die Kritik am anderen anhören. Nur selten machen sich die betroffenen Eltern bewusst, dass sie ihre Kinder damit überfordern. Genau genommen muten sie ihnen Aufgaben zu, die die Erwachsenen untereinander zu klären haben.
Auswirkungen auf die Kinder
Die Kinder fühlen sich häufig schuldig am Konflikt und leiden darunter, dass der eine den anderen geliebten Elternteil schlecht macht. Dadurch vereiteln die Eltern die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder. Genau genommen nehmen sie den Kindern ihre Kindheit weg und opfern sie den eigenen Befindlichkeiten.
Wenn die Eltern ihren Konflikt nicht beilegen, führt das, egal in welchem Betreuungsmodell, regelmäßig zu einem Loyalitätskonflikt der Kinder. Das drückt sich in psychosomatischen Beschwerden der Kinder aus. Hinzu kommen Verhaltensauffälligkeiten und Leistungsabfall in Kindergarten und Schule.
Unterstützung hoch konflikthafter Trennungsfamilien
Es hilft den betroffenen Familien in dieser Situation nicht wirklich, wenn der BGH formelhaft den Kindesunterhalt im Wechselmodell ausrechnet oder die Kriterien bestimmt, unter denen ein Wechselmodell gegen den Willen des anderen Elternteil angeordnet werden kann (vgl. BGH Beschluss vom 1.2.2017, Az. XII ZB 601/15). Stattdessen benötigen sie klare Vorgaben und ein gutes Konfliktmanagement.
Unterstützung durch Jugendamt und freie Träger
In hochstreitigen Fällen sieht der Gesetzgeber die Erziehungs- und Familienberatung (EZB) der Jugendämter vor. Hier soll pädagogisch und psychologisch geschultes Personal die Eltern auf freiwilliger Basis beraten.
Abgesehen von personellen Engpässen, die zu langen Wartezeiten und ausgefallenen Gesprächsterminen führen, bestehen aufgrund praktischer Erfahrung Zweifel daran, dass der Beratungsansatz für konflikthafte Elternbeziehungen geeignet ist. Die Eltern brechen die Gespräche entweder nach kurzer Zeit wieder ab oder sie arten zu frustrierenden Dauerveranstaltungen aus, ohne dass sich der Konflikt auflöst.
Unterstützung durch das Familiengericht
Auch gerichtliche Entscheidungen oder Vergleiche zum Umgang und zum Sorgerecht können hartnäckige Konflikte nicht auflösen. Im Gegenteil: Manche Eltern bemühen die Gerichte wegen jeder Kleinigkeit. Selbst durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes oder Gutachters gelingt es nur selten, den Elternstreit zu beenden. Folglich liefern die Berichte und Gutachten oft nur die Vorlage für eine Gerichtsentscheidung, die zwar etwas regelt, den Konflikt aber nicht löst.
Mediation als Perspektive
Da die meisten Eltern trotz ihres massiven Streites in der Lage sind, ihre Kinder liebevoll und verantwortungsbewusst zu betreuen, erübrigt sich in aller Regel, sie in Erziehungsfragen zu beraten. Stattdessen stehen andere Themen im Vordergrund. So können zerstrittene Eltern es nicht ertragen, dass ihre Kinder auch den anderen Elternteil lieben. Sie befürchten, das Kind an den anderen Elternteil zu verlieren.
Ob dieser Konflikt auf der emotionalen Ebene durch Beratungsgespräche, also auf intellektuellem Wege aufgelöst werden kann, ist zweifelhaft. Auch ein therapeutischer Ansatz scheint nicht so recht zu passen, weil derartige Konflikte zum Mensch Sein dazu gehören und daher per se keine Krankheit sind, die zu therapieren wäre.
These
Viele zerstrittene Eltern suchen beim Jugendamt und beim Gericht eine anerkannte, übergeordnete Instanz, die feststellt, wie schlimm der andere Elternteil ist und dass er Schuld an der ganzen Misere hat.
Solange die Eltern auf diese Weise ihr Problem delegieren können, werden sie die Lösung nicht bei sich selbst suchen. Sie werden ihren eigenen Anteil am Konflikt nicht finden.
Es nützt auch nichts, die Konfliktparteien freundlich oder eindringlich darauf hinzuweisen, dass sie ein Teil des Konflikts sind. Denn darauf werden sie entgegnen, sie hätten keinen eigenen Anteil daran, sondern der andere sei schuld. Nun kann man darüber zwar lange und wie in einer Talkshow ohne Ergebnis diskutieren, aber man ändert dadurch nichts.
Unterstützung durch die Rechtsprechung
Solange die Konfliktparteien ihren eigenen Anteil am Konflikt nicht erkannt haben, beharren sie auf einem Tribunal.
Das sollte ihnen konsequent verwehrt werden. Im Streitfall könnten die Gerichte etwa das Wechselmodell bzw. Doppelresidenzmodell unabhängig vom Willen der Eltern anordnen. Dadurch wären erst einmal die Kinder entlastet, sich nach der Trennung für einen Elternteil entscheiden zu müssen.
Auf Antrag eines Elternteils könnte das Familiengericht dann nach etwa drei Monaten Probezeit ein sogenanntes Clearing anordnen. Dann würden Fachleute die Kinder im jeweiligen Haushalt der Eltern beobachten und schauen, ob die Betreuung der Kinder anders organisiert werden sollte.
Unterstützung durch Transformative Mediation
Eltern, die vor ihrem Trennungskonflikt in der Lage waren, ihre Kinder eigenverantwortlich zu versorgen und zu erziehen, verlieren diese Fähigkeit nicht. Die Transformative Mediation kann die Eltern dazu befähigen, ihr konfliktträchtiges Verhalten zu ändern und Verständnis für die Bedürfnisse des jeweils anderen zu entwickeln.
Abgrenzung zur sogenannten, lösungsorientierten Mediation
Dort wird die Lösung des Konfliktes in einem 5stufigen, strukturierten Verfahren erarbeitet. Es besteht die Gefahr, dass zu sehr auf eine bestimmte Lösung geschaut wird. Dabei kann der Blick für andere Optionen, verloren gehen, die sich erst ergeben, wenn man den Mediationsverlauf freier und stärker an den Bedürfnissen der Konfliktparteien orientiert.
In der Transformativen Mediation bestimmen die Konfliktparteien maßgeblich die Struktur der Mediation und werden hierbei vom Mediator unterstützt. Die Lösung des Konflikts ist nicht schon gefunden, wenn man eine Regelung zum Umgang und zum Aufenthalt der Kinder getroffen hat, etwa, um seine Ruhe vor dem anderen zu haben.
In der Transformativen Mediation geht es darum, das Verständnis für die Position des anderen zu fördern. Dazu gehört auch, den anderen so zu akzeptieren, wie er ist und zu schauen, was möglich ist.
Im besten Fall finden die Eltern im direkten Gespräch eine einvernehmliche Regelung. Dementsprechend sollte die Mediation nicht zu einer Dauerveranstaltung mit 10-20 Terminen ausarten, sondern in wenigen Sitzungen die nötigen Impulse vermitteln.
Aufgabe der Mediatoren
Sie sollten in der Lage sein, den Konfliktparteien einen geschützten Gesprächsraum zu schaffen, in dem sie sich möglichst frei entfalten können. Dazu sollten sie sich wohlfühlen, was nicht allein durch Kaffee und Gebäck erreicht werden kann.
Die Atmosphäre wird entscheidend durch die Persönlichkeit und Ausstrahlung des Mediators geprägt. Steht der Mediator unter Zeitdruck oder möchte er den Mediationsprozess vorantreiben, kann das bereits das Gesprächsklima trüben.
Der Mediator sollte auf der einen Seite sehr präsent und beiden Konfliktparteien empathisch verbunden sein. Auf der anderen Seite sollte er zurückhaltend sein, was seinen Input angeht. Er sollte sich jeder Beeinflussung, Moderation oder „Hilfestellung“ enthalten. Er sollte ein langes Schweigen ebenso aushalten, wie einen heftigen, lautstarken Streit, persönliche Angriffe und die Anspruchshaltung der Konfliktparteien. Nur aus der Ruhe und permanenten Zugewandtheit findet er den geeigneten Moment, das Gespräch fördern, ohne eine Richtung vorzugeben.
Ergebnisse einer Transformativen Mediation
Wenn die Gesprächsatmosphäre gut ist, führt das in der Regel schon in der ersten Sitzung zu einer Entspannung bei den Konfliktparteien.
Haben sie sich anfangs mit ihrem Anliegen ausschließlich an die Mediatoren gewandt, kann es passieren, dass sie sich plötzlich wieder direkt dem anderen zuwenden und mit ihm sprechen. Die Erfahrung, wieder ins Gespräch zu kommen und vom anderen ernst genommen zu werden, genügt oft, um anschließend die Dinge selber zu regeln. Eine weitere Sitzung ist dann nicht nötig, allenfalls, um eine Vereinbarung aufzusetzen.
Nach erfolgreicher Mediation: Das Betreuungsmodell wird zweitrangig
Wenn es den Eltern gelungen ist, ihren Konflikt beizulegen, kommt es nicht mehr darauf an, ob das Kind im Doppelresidenzmodell betreut wird oder schwerpunktmäßig etwa von der Mutter oder vom Vater.
Beide Eltern können sich sicher sein, dass der andere ihre Bindung zum Kind unterstützt. Der Unterhalt des Kindes wird eigenverantwortlich von beiden Eltern nach ihren finanziellen Möglichkeiten und ihrem Betreuungsanteil bestritten.
Komplizierte und teilweise ungerechte Unterhaltsberechnungen entfallen ebenso, wie die starren Vorgaben der Düsseldorfer Tabelle.
Die Kinder erleben ihre getrennt lebenden Eltern in der gemeinsamen Verantwortung. Sie können wieder Kind sein und müssen nicht Dinge entscheiden, die den Erwachsenen vorbehalten bleiben sollten. Umgekehrt können sie ihre Eltern nicht mehr gegeneinander ausspielen und bekommen klare Strukturen. Es funktioniert nicht mehr, damit zu drohen: „Dann gehe ich eben zu Mama (bzw. Papa)…“