Rentenausgleich bei Schweizer Rentenanwartschaften
Wenn ein Ehegatte ausländische Rentenanwartschaften erworben hat, kann der Deutsche Rentenausgleich unbillig sein. Anmerkung Maes zu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.01.2023 – 5 UF 58/22 in jurisPR-Familienrecht 13/2023 vom 27.6.2023.
Leitsatz des Gerichts
Bei der Prüfung, in welchem Ausmaß Schweizerische Rentenanwartschaften des einen Ehegatten bei der AHV/IV einem Ausgleich inländischer Anrechte des anderen Ehegatten nach § 19 Abs. 3 VersAusglG entgegenstehen, kann eine überschlägige Berechnung auf der Grundlage des Auszugs aus dem individuellen Konto und bei Anwendung der aktuellen Rechengrößen vorgenommen werden (Festhaltung OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.01.2015 – 5 UF 167/14).
Problemstellung bei der vorliegenden Entscheidung zum Rentenausgleich
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob und inwieweit der inländische Versorgungsausgleich eines Ehegatten wegen Unbilligkeit gemäß § 19 Abs. 3 VersAusglG unterbleibt, wenn der andere Ehegatte ausländische Versorgungsanwartschaften in der Ehe erworben hat.
Familiensenat zum Rentenausgleich bei Schweizer Rentenanwartschaften
Das Familiengericht hatte die inländischen Versorgungsanwartschaften der Eheleute ausgeglichen und den Rentenausgleich bei Schweizer Rentenanwartschaften des Ehemannes dem Versorgungsausgleich nach der Scheidung vorbehalten.
Auf die Beschwerde der Ehefrau regelte das OLG Karlsruhe den Versorgungsausgleich dahin, dass ein Ausgleich der inländischen Anwartschaften der Ehefrau unterbleibt und ein Ausgleich nach der Scheidung vorbehalten ist, wie bei den schweizerischen Anwartschaften des Ehemannes.
Für diese ermittelte das Beschwerdegericht überschlägig eine ehezeitliche Rente von knapp 600 Euro, wovon die Hälfte der Ehefrau zustehe. Dies liege deutlich über der Rente von knapp 150 Euro, die die Ehefrau an den Ehemann von ihren inländischen Anwartschaften hätte abgeben müssen. Vor diesem Hintergrund sei es unbillig, die inländischen Anwartschaften der Ehefrau bereits jetzt zu teilen und sie auf den deutlich schwächeren Wertausgleich nach der Scheidung zu verweisen.
Andere Gerichte zum Rentenausgleich bei Schweizer und anderen ausländischen Rentenanwartschaften
Das OLG Koblenz geht von einer Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs schon dann aus, wenn sich die Höhe des ausländischen Anrechts nicht feststellen lässt. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Inhaber der ausländischen Anwartschaften keine inländischen Anwartschaften hat (OLG Koblenz, Beschl. v. 11.04.2011 – 13 UF 205/11 Rn. 10).
Demgegenüber meint das OLG Düsseldorf, es sei von einer Unbilligkeit dann auszugehen, wenn die ausländischen Anwartschaften mindestens so hoch sind, wie die inländischen Anwartschaften des berechtigten Ehegatten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.01.2011 – 5 UF 129/10).
Gerade bei offensichtlicher Geringfügigkeit des ausländischen Anrechts besteht kein Anlass für eine Billigkeitsentscheidung (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 04.03.2010 – 10 UF 282/08).
Nach OLG Brandenburg greift die Ausgleichsperre des § 19 Abs. 3 VersAusglG nicht, wenn der Ehegatte neben ausländischen Anwartschaften inländische Anwartschaften erworben hat, deren Wert über dem Wert der inländischen Anrechte des anderen Ehegatten liegt (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.06.2011 – 10 UF 249/10).
Andererseits geht das OLG Zweibrücken auch dann von einer Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs aus, wenn der andere Ehegatte höhere inländische Versorgungsanwartschaften erworben hat, sofern seine ausländischen Anwartschaften in etwa den inländischen Anwartschaften des anderen Ehegatten entsprechen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.11.2012 – 6 UF 60/12; BGH, Beschl. v. 05.05.2021 – XII ZB 381/20).
Auswirkungen für die Praxis bei ausländischen Rentenanwartschaften
Bei ausländischen Rentenanwartschaften eines Ehegatten muss das Familiengericht von Amts wegen prüfen , ob ein Ausgleich der inländischen Anwartschaften gem. § 19 Abs. 3 VersAusglG unbillig ist.
Wenigstens muss das Familiengericht die Größenordnung der ausländischen Anwartschaften ermitteln. Das ist nicht erforderlich, wenn ein Ehepartner seine gesamte oder zumindest den Großteil seiner Altersversorgung im Ausland erworben hat. Denn dann steht von vornherein fest, dass der Ausgleich der Anrechte des anderen Ehegatten unbillig ist (vgl. Breuers in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand: 25.04.2023, § 19 VersAusglG Rn. 93).
Unabhängig davon sollte bei ausländischen Versorgungsanwartschaften grundsätzlich ins Auge gefasst werden, dass der Ausgleich von inländischen Anwartschaften des berechtigten Ehegatten unterbleibt, und zwar auch dann, wenn der andere Ehegatte an ihn höhere inländische Anwartschaften abgeben muss.