Wechselmodell – Deutscher Juristentag fordert gesetzliche Regelung
Am 13.3.2018 diskutierte der Bundestag über den Antrag der FDP, das Wechselmodell als gesetzlichen Regelfall einzuführen. Die Linke stellte einen Gegenantrag. Die übrigen Parteien wollen eine gesetzliche Lösung, wobei die Gerichte entscheiden sollen, wer das Kind wie lange betreut. Nun fordert auch der Deutsche Juristentag eine gesetzliche Regelung für das Wechselmodell.
Wechselmodell nach wie vor umstritten
Diese widerstreitenden Entschließungsanträge zeigen, wie umstritten das Wechselmodell in der Gesellschaft ist. Aber immerhin sind sich alle Parteien darüber einig, dass eine gesetzliche Regelung notwendig ist.
Residenzmodell als bisheriger Regelfall
In den letzten 40 Jahren, bis vor etwa 10 Jahren wohnten die Kinder nach der Trennung ihrer Eltern in der Regel bei der Mutter, während der Vater Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zahlen musste.
Mehr Umgang mit dem Kind
Bis in die 80iger Jahre durfte ein Vater alle 14 Tage nur ein paar Stunden mit dem Kind verbringen. Inzwischen ist es normal, dass die Kinder von Freitag nach der Schule bis Montag zur Schule beim Vater verbringen und in der anderen Woche einmal übernachten. Das sind 4 von 14 Tagen
Außerdem sind die Schulferien unter den getrennt lebenden Eltern hälftig geteilt.
Viele Väter halten für die Kinder ein extra Zimmer bereit.
Wechselmodell auf dem Vormarsch
Seit wenigstens zehn Jahren hat sich die Situation geändert. Immer mehr Frauen möchten nicht nur Kinder und Familie, sondern außerdem am beruflichen Leben teilnehmen.
Auch bei den Vätern hat sich eine neue Entwicklung ergeben. Sie nehmen verstärkt Elterngeld in Anspruch und möchten während der ersten Lebensjahre ihres Kindes dabei sein. Nach der Trennung möchten sie weiterhin am Alltag ihrer Kinder teilhaben.
Daher haben sich viele junge Eltern entschieden, nach der Trennung das Wechselmodell zu praktizieren, genau genommen das Doppelresidenzmodell. Das Kind hat dann bei jedem Elternteil seinen Wohnsitz.
Erweiterte Betreuung
Neben dem sogenannten paritätischen Wechselmodell mit exakt gleichlangen Betreuungszeiten praktizieren Eltern auch asymmetrische Wechselmodelle, in den die Betreuung zwischen 30 % und 50 % liegt.
Gesetzeslage und Rechtsprechung als Hindernis
Bislang ist die Höhe des Kindesunterhalts nur beim Residenzmodell geregelt, allerdings nicht gesetzlich, sondern nur in Form der Düsseldorfer Tabelle, die keine Gesetzeskraft hat.
Die Gerichte bemühten sich vergeblich, für die neuen Betreuungsmodelle gerechte und einfache Lösungen zu schaffen.
Kindesunterhalt und Kindergeld beim Wechselmodell
Mit Beschluss vom 11.1.2017 machte sich der BGH für eine ungerechte und komplizierte Unterhaltslösung stark. Im Beschluss vom 20.4.2016 sprach er sich dagegen aus, beim Wechselmodell das Kindergeld zu teilen.
Kindesunterhalt bei erweiterter Betreuung
Selbst bei einer Betreuungsquote von 43%, die bezogen auf 14 Tage 8 Übernachtungen beim einen und 6 Übernachtungen beim anderen Elternteil entspricht, muss laut BGH der volle Tabellenunterhalt gezahlt werden (vgl. Beschlüsse vom
28.2.2007 und vom 5.11.2014).
Gesetzeslage erschwert das Wechselmodell
Kindergeld
Die Familienkasse darf bislang nur einem Elternteil auszahlen. Die Aufteilung des Kindergeldes ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Melderecht
Bislang kann das Kind nur bei einem Elternteil mit Hauptwohnsitz angemeldet werden. Ein doppelter Wohnsitz muss gesetzlich erst noch geschaffen werden.
Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils
Der BGH hat am 1.2.2017 bislang nur entschieden, dass ein Wechselmodell im Umgangsverfahren auch gegen den Willen eines Elternteils beantragt werden kann.
Allerdings sprechen heftige Streitigkeiten der Eltern laut BGH gegen ein Wechselmodell. Nun entstehen diese Streitigkeiten erst, wenn sich Eltern über die Betreuung der Kinder nicht einigen können.
Deshalb muss der Gesetzgeber feste Vorgaben machen, in welchen Fällen auch gegen den Willen eines Elternteils ein Wechselmodell angeordnet werden soll. Hier besteht aber die Tendenz, die Frage wieder an die Gerichte zu delegieren, die sich bei Streitigkeiten bislang eher restriktiv gegen das Wechselmodell aussprechen.
Dabei ist wissenschaftlich längst geklärt, dass ein Wechselmodell auch bei hochzerstrittenen Elternteilen funktioniert. Den Kindern ist wichtig, möglichst viel Zeit mit jedem Elternteil zu verbringen. Man spricht dann nicht mehr vom gemeinsamen, sondern vom geteilten Sorgerecht.
Deutscher Juristentag sieht Reformbedarf
Den Reformbedarf im Sorgerecht, im Umgangsrecht und im Unterhaltsrecht hat auch der deutsche Juristentag aufgegriffen, der hierüber vom 26.-28.9.2018 diskutieren will.
Liest man das Gutachten zur Vorbereitung des Deutschen Juristentages von Prof. Dr. Eva Schuhmann oder den Beitrag von Dr. Christian Seiler, Direktor des Amtsgerichts Freising, beides abgedruckt in FamRZ 2018, Seite 1125 ff, wird erkennbar, das die unbefriedigende Situation in der Rechtsprechung nun zum Gesetz gemacht werden soll.
Der Gesetzgeber sollte neue Wege beschreiten
Es genügt nicht, die unzureichende Rechtsprechung in Gesetze zu gießen. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber ist gefordert, die Versäumnisse der Rechtsprechung aus der Welt zu schaffen. Die Gerichte sind zu entlasten und zu entmachten.
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Für das Wechselmodell und die erweiterte Betreuung brauchen die betroffenen Trennungsfamilien einfache und gerechte Unterhaltskriterien, ohne lange rechnen zu müssen.
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Das Melderecht und der Kindergeldbezug sind neu zu regeln.
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Das Wechselmodell sollte bei Trennung der Eltern der gesetzliche Regelfall werden, von dem die Eltern jederzeit einvernehmlich abweichen können.
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Bei Streit um das Wechselmodell entscheidet das Gericht. Zusätzlich sollte gesetzlich vorgesehen sein, dass sowohl das Wechselmodell, als auch das Residenzmodell unter Begleitung von Fachleuten ausprobiert werden können, bevor das Gericht entscheidet.
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Die Teilhabe am Sorgerecht soll automatisch mit Anerkennung der Vaterschaft entstehen. Die bisherigen Antragshürden für biologische Väter sind zu beseitigen. Auf Antrag kann die gemeinsame Sorge gerichtlich revidiert oder auf weitere Bezugspersonen ausgeweitet werden, wenn das dem Kindeswohl dient.