Dienstliche Stellungnahme bei Richterablehnung
Anmerkung Maes zu OLG Frankfurt, Beschluss vom 9.6.2017, Az. 4 WF 103/17 in Juris Praxisreport Familienrecht Ausgabe 16/2018 vom 14.8.2018
Das Gesetz macht dem betroffenen Bürger die Richterablehnung leicht
Nach § 42 ZPO kann er einen Richter schon dann ablehnen, wenn er die Besorgnis der Befangenheit hat. Daraus folgt, dass der Richter gar nicht befangen sein muss. Es genügt, wenn er Grund dazu gegeben hat, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln.
Gerichte machen die Richterablehnung schwer
Was sich im Gesetz so einfach liest, ist in der Praxis nur sehr schwer umzusetzen. So geben die Gerichte nur sehr selten und dann auch erst in der zweiten Instanz einem Befangenheitsgesuch statt (siehe Beitrag: „Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit“).
Entscheidung des OLG Frankfurt
Wenn ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt wird, muss er sich dazu in einer dienstlichen Stellungnahme äußern. Manche Richter sind hier sehr zurückhaltend. So verweisen sie etwa auf den Akteninhalt oder erklären, sie fühlten sich nicht befangen.
Im vorliegenden Fall nahm die Amtsrichterin nicht einmal nach Aufforderung durch das Beschwerdegericht zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen Stellung. Ihr Richterkollege wies das Befangenheitsgesuch lapidar ab. Darüberhinaus unterließ er unter Verstoß gegen das Gesetz die vorgeschriebene Abhilfeentscheidung. Das war dann auch dem Beschwerdegericht zuviel. Es kassierte die Entscheidung des Amtsgerichts und gab dem Befangenheitsgesuch statt.
Orientierungssätze
- Auch im Ablehnungsverfahren des § 6 FamFG unterliegt die sofortige Beschwerde einer Abhilfeprüfung durch das Ausgangsgericht.
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Fertigt der wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Richter auch auf Hinweis des Beschwerdegerichts hin keine dienstliche Stellungnahme, die auf die vorgebrachten inneren und äußeren Tatsachen eingeht, ist es dem Beschwerdegericht nicht möglich, den Wahrheitsgehalt der im Ablehnungsgesuch enthaltenen Behauptungen zu erkennen. Hierin kann daher ein Umstand liegen, der bei einem besonnen agierenden Beteiligten Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters aufkommen lassen muss.
A. Problemstellung
Ohne die dienstliche Stellungnahme eines Richters kann ein Ablehnungsgesuch nicht glaubhaft gemacht und auch nicht auf Begründetheit überprüft werden. Andererseits sind Umfang und Inhalt einer dienstlichen Stellungnahme in das Ermessen des abgelehnten Richters gestellt und fallen häufig sehr kurz aus.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Ablauf des Verfahrens beim Amtsgericht
In einem Sorgerechtsverfahren wurde die Familienrichterin wegen Befangenheit abgelehnt. Der Antrag stützte sich u.a. auf eine falsche Protokollierung der Verhandlung. In ihrer dienstlichen Stellungnahme äußerte die Familienrichterin, sie fühle sich in der Sache nicht befangen. Die Behauptung der Kindesmutter, sie sei voreingenommen, treffe nicht zu. Im Übrigen verweise sie auf das Terminsprotokoll. Das Familiengericht wies das Befangenheitsgesuch der Antragstellerin zurück, ohne ein Abhilfeverfahren durchzuführen.
Kritikpunkte des OLG Frankfurt
Auf die sofortige Beschwerde bemängelte das OLG Frankfurt, dass dies gemäß § 6 Abs. 2 FamFG mit Verweisung auf § 572 Abs. 1 ZPO zwingend vorgeschrieben sei.
Die dienstliche Erklärung der Familienrichterin enthalte keine zusammenhängende Stellungnahme zu den inneren und äußeren Tatsachen des Ablehnungsgrundes. Sie habe sie trotz Aufforderung des Oberlandesgerichts nicht ergänzt. Die Beschwerde sei begründet.
Die Antragstellerin habe Tatsachen vorgebracht bzw. es ergäben sich solche aus der Akte, die eine Besorgnis der Befangenheit der Familienrichterin rechtfertigten. Damit ein Ablehnungsgesuch gemäß § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht werden könne, habe sich der abgelehnte Richter gemäß § 6 Abs. 1 FamFG, § 44 Abs. 3 ZPO über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.
Die Äußerung der Richterin, sich nicht befangen zu fühlen, sei zwar unschädlich, aber irrelevant. Gleiches gelte für den Verweis auf das Terminsprotokoll, da die Ablehnung gerade darauf gestützt worden sei, dass es nur verkürzt abgefasst wurde.
Dienstliche Stellungnahme ist Pflicht
Jedenfalls könne das Oberlandesgericht mangels inhaltlicher Angaben in der dienstlichen Erklärung den Wahrheitsgehalt des Ablehnungsgesuchs nicht überprüfen.
Die Abgabe einer an den gesetzlichen Vorgaben des § 44 Abs. 3 ZPO orientierten dienstlichen Erklärung sei Dienstpflicht des Richters. Unzulängliche oder unsachliche Stellungnahmen i.S.v. § 44 Abs. 3 ZPO könnten daher selbst die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Vollkommer in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 24 m.w.N.).
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Frankfurt wendet sich gegen die weitverbreitete Praxis, bei Ablehnungsgesuchen lediglich floskelhafte dienstliche Äußerungen abzugeben, etwa, man fühle sich nicht befangen oder man nehme Bezug auf den Akteninhalt etc.
Standardfloskeln reichen nicht aus
Diese Äußerungen sind weder hilfreich noch geeignet, einem begründeten Befangenheitsgesuch entgegenzutreten. Entgegen Dr. Norbert Vossler (MDR 2014, 10) gilt das auch für Äußerungen, in denen auf den Akteninhalt verwiesen werden könnte, weil auch das die Prüfung eines Befangenheitsgesuchs unzumutbar erschwert. Dadurch besteht die Gefahr, dass es allein deshalb zurückgewiesen wird.
Gerichte stellen häufig einen Freibrief aus
Nun haben diverse Gerichte bestätigt, dass Inhalt und Umfang einer dienstlichen Äußerung grundsätzlich in das Ermessen des Richters zu stellen sind (vgl. LSG Essen, Beschl. v. 01.02.2012 – L 11 SF 4/12 Rz. 9; LSG Celle-Bremen, Beschl. v. 26.09.2001 – L 4 B 202/01 KR).
Leider wird das oft als Freibrief für unzureichende dienstliche Äußerungen missbraucht. Insgesamt ist eine Tendenz zu bemerken, Befangenheitsgesuche nach Möglichkeit zurückzuweisen. Ganz abgesehen davon gestattet das Justizmodernisierungsgesetz vom 24.08.2004 durch den neu eingefügten § 47 Abs. 2 ZPO einem abgelehnten Richter, bei unaufschiebbaren Handlungen zu entscheiden.
BGH unterhöhlt die Möglichkeit der Richterablehnung wegen Befangenheit
Schließlich soll laut BGH (Beschl. v. 21.10.2010 – V ZB 210/09) zu § 44 Abs. 2 ZPO ein non liquet bei einer Glaubhaftmachung stets zulasten des Ablehnenden gehen. Bis dahin musste im Zweifel zugunsten des Ablehnenden entschieden werden (vgl. BayObLG, Beschl. v. 26.03.1974 – BReg 1 Z 5/74).
D. Auswirkungen für die Praxis
Das OLG Frankfurt ermuntert dazu, eine Beschwerde gegen die üblicherweise zurückgewiesenen Ablehnungsgesuche einzulegen, wenn eine unzureichende dienstliche Äußerung vorliegt.
Kosten des Befangeheitsantrages
Im Beschwerdeverfahren fallen gem. FamGKG Nr. 1912 Gerichtsgebühren von 60 Euro an (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.06.2014 – 15 WF 82/14 dort Rn. 13). Weiter entsteht für Rechtsanwälte eine 0,5 Verfahrensgebühr gemäß VV 3500 RVG. Allerdings ist eine inhaltliche Stellungnahme des gegnerischen Rechtsanwalts zur Beschwerde für das Auslösen dieser Gebühr nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschl. v. 06.04.2005 – V ZB 25/04).
Richter sollten souveräner mit einem Ablehnungsgesuch umgehen
Betroffene Richter sollten sich ernsthafter mit Ablehnungsgesuchen auseinandersetzen und eine Ablehnung nicht als persönliche Schande betrachten. Stattdessen sollten sie sich die Empfehlung ihres Richterkollegen, des ehemaligen Vizepräsidenten des Bayrischen Obersten Landesgerichts, Hans Georg Putzo in Thomas-Putzo § 42 ZPO Rn. 9 zu Herzen nehmen:
Empfehlung an die Richterkollegen
„Andererseits sollte im Zweifel einem Ablehnungsgesuch stattgegeben werden, um auch im Einzelfall das Vertrauen in die Rechtspflege zu erhalten oder um den abgelehnten Richter einer persönlichen Kritik des Antragstellers zu entziehen, selbst, wenn sie unberechtigt ist. Dies wird aus missverstandener Kollegialität von Richtern oft zu wenig beachtet.“
Entlastung des Richters, der über die Befangenheit entscheidet
Diese Empfehlung sollte durch die Gerichtsorganisation unterstützt werden. So sollte der über das Ablehnungsgesuch entscheidende Richter, der in der Regel das Verfahren übernehmen muss, an anderer Stelle dienstlich entlastet werden.
Ansonsten besteht weiterhin die Gefahr, dass ein Ablehnungsgesuch schon deshalb zurückgewiesen wird, weil es zu Mehrarbeit bei dem Richter führt, der über das Ablehnungsgesuch entscheiden muss.