Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit
Die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit ist gerade im Familienrecht ein wichtiges Mittel, um auf ein unparteiliches Gerichtsverfahren hinzuwirken.
Gesetzliche Regelung
Die Richterablehnung ist in § 42 ZPO geregelt. Hier zeigt sich, dass der Gesetzgeber einer Prozesspartei die Möglichkeit einräumen wollte, einen Richter nicht erst bei erwiesener Befangenheit, sondern schon dann abzulehnen, wenn begründete Zweifel an seiner Unparteilichkeit auftreten.
Im Ergebnis sollte eine gewisse Hygiene in Gerichtsverfahren gewährleistet werden. Darüberhinaus sollte der von Verfassungswegen nach Art. 97 Grundgesetz keinerlei Weisungen unterworfene Richter dort seine Grenze finden, wo er Anlass zu Zweifeln an seiner Unparteilichkeit gibt.
Wann liegt eine Besorgnis der Befangenheit vor?
Das Gesetz definiert die Besorgnis der Befangenheit in § 42 Abs. 2 ZPO. Danach muss ein Grund vorliegen, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
Geeignete Gründe, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters hervorzurufen
An dieser Stelle hat die Rechtsprechung zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit hohe Barrieren errichtet.
Die sogenannten „unbestimmten“ Rechtsbegriffe „geeignet“ und „Misstrauen“ werden von der Rechtsprechung in einer Weise ausgelegt, auf die der juristisch unbelastete Bürger nicht einmal in seinen kühnsten Träumen kommen würde.
Daher gelingt es einer normalsterblichen Prozesspartei nur in den seltensten Fällen, die Hürden der Rechtsprechung zu überwinden.
Wer entscheidet über den Befangenheitsantrag?
Nach § 45 ZPO entscheidet das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, ohne seine Mitwirkung, also ein anderer Richterkollege.
In der Praxis weist dieser Richterkollege das Befangenheitsgesuch regelmäßig wegen Unbegründetheit zurück.
Anforderungen der Rechtsprechung an die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit
Nicht jedes Verhalten eines Richters gegenüber einer Prozesspartei ist etwa per se geeignet, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit auslösen.
Ablehnungsgrund muss glaubhaft gemacht werden
Die in § 44 Abs. 2 ZPO geregelte Vorgehensweise stimmt nachdenklich:
Danach kann sich die Prozesspartei auf das Zeugnis des betreffenden Richters berufen, der sich dienstlich dazu äußern muss.
Die dienstlichen Äußerungen der betreffenden Richter fallen oft sehr kurz aus. Sie berufen sich etwa auf den Akteninhalt oder erklären, sie fühlten sich nicht befangen.
Allerdings ist bei solchen Begründungen die Beschwerde angezeigt, weil derartige „dienstliche Äußerungen von einigen Richterkollegen in der höheren Instanz für unzureichend gehalten werden. Nun ist Befangenheit gerade kein Gefühl, ganz abgesehen davon, dass sie gar nicht gegeben sein muss. Schließlich genügt die Besorgnis der Befangenheit.
Empfehlenswert ist, sich auf das Zeugnis des eigenen Anwalts zu beziehen, auch wenn der dienstlichen Äußerung eines Richters oft mehr Wahrheitswert zugemessen oder aber mit fadenscheinigen Begründungen eine Beweisaufnahme übergangen wird.
Verhalten des Richters im Verfahren
Es soll Richter geben, die führen ein Verfahren nach „Gutsherrenmanier“. Sie fallen der Prozesspartei ins Wort, etwa „Das gehört hier nicht zur Sache“, „Kommen Sie zum Ende“, „Über Ihren Antrag wundere ich mich“ etc.
Wer glaubt, derartiges Verhalten sei geeignet, Misstrauen in die Unparteilichkeit zu begründen, irrt.
Denn die Rechtsprechung beurteilt das Verhalten eines Richters nicht aus der Sicht des Betroffenen, sondern aus der Sicht des sogenannten „objektiven“ Betrachters.
Liest man die Gerichtsentscheidungen, entsteht der Eindruck, dem objektiven Betrachter sei der Ausgang seines Prozesses völlig egal. Er wolle nicht unbedingt seinen Prozess gewinnen, sondern sei in erster Linie an einer gerechten Entscheidung interessiert.
Deshalb schaut er nicht auf das äußerliche Verhalten des Richters, sondern erkennt dessen innere Haltung und sein unermüdliches Streben nach Gerechtigkeit.
Mit großer Nachsicht und mit großem Vertrauen in die Person des Richters steckt er persönliche Animositäten weg und freut sich auf die Gerichtsentscheidung.
Nach allem kennt die Rechtsprechung zur Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit so gut wie keinen Grund, der geeignet wäre, Misstrauen hervorzurufen.
Gründe für die restriktive Behandlung von Befangenheitsgesuchen
Natürlich lässt sich nur darüber spekulieren, was in einem Richter vorgeht, der für befangen gehalten wird. Jeder Richter wird aus seiner Sicht alles dafür tun, die Prozessparteien unparteilich und gleich zu behandeln, ganz unabhängig davon, wie er den Streit am Ende entscheidet.
Persönliche Verletzung
Nach den Erfahrungen des Autors fühlen sich Richter persönlich verletzt, wenn er sie wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Anders als bei einer Äußerung gegenüber einem Mann, er sei kein Mann oder gegenüber einer Frau, sie sei keine Frau, findet bei dem betreffenden Richter gerade kein Angriff auf seine Identität und Würde statt.
Unfehlbarkeitsanspruch
Kein Mensch ist unfehlbar, auch ein Richter nicht. Wir bilden uns eine Meinung, ein Urteil, oft aber auch nur ein Vorurteil und tendieren dazu, diese persönliche Auffassung für objektiv zu halten.
Hier wäre wünschenswert, wenn die betreffenden Richter mehr Abstand zu ihrer Identifikation mit ihrer Richterrolle einnähmen und sich auch einmal von Außen betrachten würden. So könnten sie versuchen sich einmal aus der Sicht der betreffenden Prozesspartei zu betrachten.
Dann würden sie womöglich erkennen, dass es gar nicht darauf ankommt, ob sie befangen sind, sondern nur darauf, dass eine Partei Misstrauen in ihre Unparteilichkeit hat.
Falsch verstandene Kollegialität
Die mangelnde Selbstwahrnehmung und übersteigerte Identifikation mit dem Richteramt wirkt sich natürlich auch bei den Richterkollegen aus.
Denn wer möchte seinem Kollegen schon bescheinigen, er sei kein „richtiger“ Richter, sondern befangen. Dabei verkennt er, dass sein Richterkollege weder in seiner Menschenwürde, noch in seiner Eigenschaft als Richter tangiert ist.
Außerdem sieht die Geschäftsverteilung in vielen Gerichten vor, dass der Richter, der das Befangenheitsgesuch positiv bescheidet, den Fall übernehmen muss. Damit führt seine Entscheidung für ihn zu zusätzlichem Arbeitsaufwand, was einer Bestrafung gleichkommt.
Auswirkungen der Rechtsprechung zur Ablehnung wegen Befangenheit
Die Angst der Richter, befangen zu sein, verkehrte Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in ihr Gegenteil.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, weisen die Gerichte Befangenheitsgesuche als unbegründet zurück.
Wünschenswert wäre, wenn die Richterschaft im Hinblick auf ihre Unfehlbarkeit mehr Souveränität entwickeln würde.
Auch Richter müssen nicht unfehlbar sein. Denn sie können nicht unfehlbar sein. Außerdem ist ihre Unfehlbarkeit durch ein Befangenheitsgesuch überhaupt nicht tangiert, weil es nur auf die
Besorgnis der Befangenheit ankommt.
Deshalb könnte sich der betreffende Richter durch eine großzügigere Behandlung von Befangenheitsgesuchen einer womöglich unberechtigten Kritik einer Prozesspartei entziehen, ohne sein Gesicht zu verlieren.
Das hätte zur Folge, dass das Vertrauen der Prozesspartei in die Rechtspflege gestärkt würde. Darüberhinaus könnte ein unbelasteter Richterkollege mit frischem Mut an die heikle Sache herangehen.
Der „ewige“ Richter in Familiensachen
Gerade in Familiensachen, bei denen ganz unterschiedliche, dem Richter womöglich unbekannte Lebensweisen zur Debatte stehen, tendieren Richter dazu, ihre Sicht von der „richtigen Familie“, der „richtigen Erziehung“ und dem „Wohl des Kindes“ zum Maßstab ihrer Entscheidung zu machen.
Daher entsteht bei einer Partei auch schnell die Besorgnis der Befangenheit.
Hinzu kommt, dass eine Familie oft „lebenslang“ dem gleichen Familienrichter auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.
Kontroversen im Familienrecht
Nun ist gerade im Familienrecht so ziemlich alles umstritten. Aktuell gibt es etwa Streit darüber, ob nach der Trennung der Eltern das Wechselmodell als gesetzlicher Regelfall gilt oder die Entscheidung darüber weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleibt.
Es ist auch umstritten, dass der leibliche Vater automatisch das Sorgerecht erhält und damit der Mutter gleichgestellt ist.
(vgl. Beitrag Gemeinsames Sorgerecht auf bei Zerstrittenheit der Eltern) oder wann er die Vaterschaft des gesetzlichen Vaters anfechten darf (vgl. Beitrag BGH verweigert Vaterschaft für leibliche Väter).
Auch die Frage, ob und in welchem Umfang Kindesunterhalt im Wechselmodell und bei erweiterter Betreuung gezahlt werden muss, ist heftig umstritten.
(vgl. Beitrag Kindesunterhalt im Wechselmodell).
Natürlich haben die Familienrichter auch ihre Meinung zu diesem Streitstand mit der Folge, dass sich die betreffenden Eltern ungerecht behandelt fühlen und Zweifel an der Unparteilichkeit des betreffenden Richters haben.
Schwacher Gesetzgeber
Eine beherzte Gesetzgebung, die die Familierichter entlastet und entmachtet, könnte Befangenheitsgesuche im Familienrecht reduzieren.
Leider scheiterten klare Gesetze im Familienrecht bislang daran, dass sich der Gesetzgeber gegen die familierechtlichen Verbände und die von ihnen vertretenen Partikularinteressen nicht durchsetzen wollte oder konnte.
Die Reformen verkamen zu Reförmchen, die der BGH dann auch noch weiter reduzierte, etwa beim Unterhaltsrecht, beim Recht der unverheirateten Väter auf Teilhabe an der elterlichen Sorge oder auf Anfechtung der Vaterschaft.
Es lässt sich nicht verkennen, dass die Richterschaft einen eher konservativen Familienbegriff vertritt. Das führt dann zwangsläufig zu Kollisionen mit der Lebenswirklichkeit und kann vermehrt Befangenheitsgesuche auslösen.
Fazit
Der betroffene Bürger sollte sich nicht scheuen, die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit zu beantragen, wenn er Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters verspürt.
Natürlich ist nicht jedes unbestimmte Gefühl ausreichend und es sollten konkrete Verhaltensweisen des Richters angeführt werden, die das Gefühl bzw. die Besorgnis der Befangenheit auch für einen Dritten nachvollziehbar machen.
Der betroffene Richter sollte es nicht persönlich nehmen und souverän bleiben. Er sollte sich nicht scheuen, dem Befangenheitsgesuch nachzugeben.
Der Gesetzgeber sollte die Richterschaft durch klarere und mutigere Gesetze stärker entlasten, wodurch auch weniger Anlass zu einem Befangenheitsgesuch bestünde.