Notariell ausgeschlossener Versorgungsausgleich — Grenzen richterlicher Prüfung
Anm. Maes zu OLG Rostock, Beschluss vom 24.9.2014, Az. 11 WF 165/11
Inhalt und Grenzen der Amtsermittlungspflicht bei notariell ausgeschlossenem Versorgungsausgleich in Juris Praxisreport Familien- und Erbrecht 13/2015 vom 23.6.2015
Ein notariell ausgeschlossener Versorgungsausgleich ist von den Familiengerichten zu respektieren
Bis heute meinen die Amtsgerichte, auch dann noch eigene Nachforschungen anstellen zu müssen, wenn die Eheleute den Versorgungsausgleich notariell ausgeschlossen haben. Nach der neuen Gesetzeslage ab September 2009 ist das aber nur noch sehr eingeschränkt zulässig.
Leitsätze
- Zum Umfang der Prüfungspflicht des Familiengerichts von Amts wegen hinsichtlich eines Ehevertrages wegen Ausschluss des Versorgungsausgleichs.
- Werden von einem Ehegatten keine Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse hinsichtlich einer Vereinbarung geltend gemacht, besteht für das Familiengericht in der Regel keine Pflicht, von Amts wegen gemäß § 26 FamFG Auskünfte zu den in der Ehezeit erworbenen Anrechten zur Prüfung der wirtschaftlichen Auswirkungen eines Ehevertrages einzuholen. Eine solche Verpflichtung besteht regelmäßig nur dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit vorliegen oder ein Beteiligter die Unwirksamkeit der Vereinbarung rügt.
A. Problemstellung
Durch das ab September 2009 geltende Versorgungsausgleichsgesetz, das den Rentenausgleich gegenüber der alten Rechtslage völlig neu strukturierte, wurde die Privatautonomie der Eheleute gestärkt. Danach kann gem. § 6 Abs. 1 VersAusglG der Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Vor allem der Halbteilungsgrundsatz ist nicht mehr zwingend zu beachten. Aber wie wirkt sich das auf die weiterhin geltende Amtsermittlungs- und Prüfungspflicht der Amtsgerichte aus?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Familiengericht setzt Auskunft zum Versorgungsausgleich mit Zwangsgeld durch
Die Ehefrau hatte mit der Scheidung die notarielle Urkunde über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs beigefügt. Trotzdem wurde sie vom Amtsgericht aufgefordert, die amtlichen Formulare zum Versorgungsausgleich ausgefüllt zurückzuschicken. Nachdem sie sich geweigert hatte, setzte das Amtsgericht gegen sie ein Zwangsgeld fest.
Begründung des Familiengerichts
Den Nichtabhilfebeschluss auf die sofortige Beschwerde der Ehefrau begründete das Amtsgericht damit, nach den §§ 26, 220 FamFG berechtigt und verpflichtet zu sein, Auskünfte über die während der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften einzuholen. Anders könne es gem. § 8 Abs. 1 VersAusglG die formelle und materielle Wirksamkeit der notariellen Vereinbarung über den Versorgungsausgleich nicht überprüfen. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass diese Schutzvorschrift ins Leere laufe.
Entscheidung des OLG Rostock
Das OLG Rostock hob das Zwangsgeld auf. Angesichts der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG geregelten Vertragsautonomie dürfe das Amtsgericht nicht von sich aus nach Unwirksamkeitsgründen forschen. Wenn keiner der Ehegatten die Wirksamkeit der Vereinbarung in Zweifel ziehe oder tatsächliche Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit vorlägen, dürfe das Gericht nicht mehr tätig werden.
C. Kontext der Entscheidung
Neue Gesetzelage
Nach dem seit September 2009 grundlegend geänderten Versorgungsausgleich muss neu ausgelotet werden, wie weit die Amtsermittlungspflicht geht. Außerdem ist neu zu bewerten, wann und wie vertragliche Regelungen der Eheleute über den Versorgungsausgleich auf Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit zu prüfen sind. Dabei ist zu beachten, dass schon nach altem Recht der Versorgungsausgleich notariell ausgeschlossen werden durfte. Das hatte zur Folge, dass die Gerichte regelmäßig keine Auskünfte der Versorgungsträger mehr einholten.
Vertragliche Regelung des Rentenausgleichs ausdrücklich erlaubt
Inzwischen hat der Gesetzgeber die vertragliche Regelung des Versorgungsausgleichs in § 6 VersAusglG ausdrücklich vorgesehen. Damit hat er die Privatautonomie der Eheleute in diesem Bereich weiter gestärkt. Im Gegensatz zu früher müssen die Anwartschaften nicht mehr exakt hälftig verteilt sein. Jetzt ist der völlige Ausschluss ist grundsätzlich zulässig bzw. kann durch Zugeständnisse beim Zugewinnausgleich oder beim Nacheheunterhalt kompensiert werden.
Notariell ausgeschlossener Versorgungsausgleich regelmäßig wirksam
Daher werden notarielle Vereinbarungen im Hinblick auf die dort vorgesehene Belehrung der Eheleute regelmäßig als wirksam anzusehen sein (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.07.2012 – 9 UF 79/12, Rn. 25). Demgegenüber sollen nur noch ganz unerträgliche Ergebnisse zur Unwirksamkeit führen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.01.2014 – XII ZB 303/13, Rn. 21; Brudermüller in: Palandt, BGB, 73. Aufl., § 8 VersAusglG, Rn. 9, m.w.N.). Außerdem ist zu beachten, dass die §§ 6 Abs. 2 und 8 VersAusglG Gesetz gewordene Rechtsprechung des BGH sind. Letztlich basieren sie auf seiner Grundsatzentscheidung zur Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2004 – XII ZR 265/02).
D. Auswirkungen für die Praxis
Nach allem ist die Amtsermittlungspflicht der Amtsgerichte durch die Neuregelung des Versorgungsausgleichs nur noch auf solche Fälle beschränkt, in denen der Versorgungsausgleich nicht ausgeschlossen wurde. Weiter kann eine Auskunft eingeholt werden, wenn ein Ehepartner den notariellen Ausschluss rügt und oder tatsächliche Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit vorliegen. Wer die notarielle Regelung angreift, trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen eines Unwirksamkeitsgrundes (vgl. OLG Brandenburg Beschl. v. 05.07.2012 – 9 UF 79/12, Rn. 26 ff.; Götsche in: HK-VersAusglG, 2012, § 8 Rn. 58; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 05.10.2007 – 9 UF 67/07)..