Wohnungszuweisung und Nutzungsentschädigung bei Getrenntleben gem. § 1361b BGB
Anm. Maes zu Kammergericht (OLG Berlin) Beschluss v. 25.2.2015, Az. 3 UF 55/14 in Juris Praxis Report Familien- und Erbrecht 17/2015 vom 18.8.2015
Leitsätze
- Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Überlassung der Ehewohnung bei Getrenntleben gemäß § 1361b Abs. 1 BGB.
- Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Vergütung für die Nutzung der Ehewohnung bei Getrenntleben gemäß § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB.
- Zu den Grenzen der Berücksichtigung unterhaltsrechtlicher Fragestellungen im Rahmen der nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB erforderlichen Gesamtabwägung.
A. Problemstellung
Wann liegt eine unbillige Härte i.S.d. § 1361b Abs. 1 BGB vor? Wie ist eine billige Nutzungsentschädigung für den weichenden Ehegatten gem. § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB zu bestimmen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Ehemann war aus der allein von ihm gemieteten Ehewohnung ausgezogen, in der die Ehefrau und der jüngere Sohn verblieben und hatte in der Nähe mit dem älteren Sohn eine neue Wohnung gemietet. Ein von der Ehefrau eingeleitetes Verfahren zur Zahlung von Trennungsunterhalt war noch nicht entschieden.
Mit seinem Antrag auf Wohnungszuweisung bot der Ehemann der Ehefrau den Wohnungstausch an, was die Ehefrau ablehnte. Sein Antrag wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen, weil sich ein Wohnungswechsel auf den als besonders sensibel einzuschätzenden jüngeren Sohn negativ auswirken würde. Den Antrag des Ehemannes auf Zahlung von Nutzungsentschädigung wies das Amtsgericht ebenfalls zurück, weil er derzeit keinerlei Unterhalt an seine Ehefrau zahle und der im Außenverhältnis entrichtete Mietzins als Teil des geschuldeten Unterhaltes zu werten sei. Mit seiner Beschwerde machte der Ehemann geltend, sein Anspruch auf Nutzungsentschädigung sei nicht aus unterhaltsrechtlichen Erwägungen zurückzuweisen. Im Trennungsunterhaltsverfahren habe die Ehefrau bislang ihre Bedürftigkeit nicht nachgewiesen und sei ihrer Erwerbsobliegenheit nicht nachgekommen. Abgesehen davon läge ein möglicher Unterhaltsanspruch der Ehefrau deutlich niedriger, als der von ihm entrichtete Mietzins für die Ehewohnung.
Das KG Berlin bestätigte die Entscheidung des Familiengerichts. Der Ehemann habe das Vorliegen einer unbilligen Härte nicht nachgewiesen. Dagegen spreche bereits, dass er zwischenzeitlich eine neue Wohnung in unmittelbarer Nähe in der alten Wohnung gemietet habe und nicht ersichtlich sei, weshalb er auf die Ehewohnung stärker angewiesen sei als die Ehefrau. Es sei auch nicht von Bedeutung, dass er alleiniger Mieter der von der Ehefrau bewohnten Wohnung sei. Das ergäbe sich bereits aus dem Umkehrschluss des § 1361b Abs. 1 Satz 3 BGB. Darüber hinaus erscheine das jüngere Kind als schutzbedürftiger als das ältere. Abgesehen davon sei der Wohnungswechsel für beide Kinder mit neuer Unruhe verbunden.
Eine Nutzungsentschädigung sei im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nicht schematisch nach dem Mietwert der Wohnung zu bemessen, sondern werde von der ehelichen Solidarität überlagert, die über die Trennung der Eheleute hinausgehe. Die Billigkeit einer Vergütung hänge von der Leistungsfähigkeit des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten sowie den Belastungen durch gemeinschaftliche Kinder ab (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 31.03.2010 – 4 WF 32/10 – FamRZ 2010, 1980; OLG Naumburg, Beschl. v. 07.07.2009 – 3 WF 157/09 – FamRZ 2010, 391).
Grundsätzlich seien bestehende Unterhaltspflichten in die Billigkeitsabwägung einzubeziehen. Beim Fehlen einer Unterhaltsregelung sei bei der Prüfung eines Anspruchs auf Nutzungsentschädigung eine einheitliche wirtschaftliche Betrachtung geboten. Die Einbeziehung etwa bestehender Unterhaltspflichten könne nicht so weit gehen, die tatsächlichen und rechtlichen Fragen des Unterhalts im Ehewohnungsverfahren nach § 1361b BGB zu entscheiden. Das scheitere schon daran, dass die Ehewohnungssache gem. § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG ein reines FamFG-Verfahren sei, die Unterhaltssache gem. § 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG dagegen eine Familienstreitsache, für die weitgehend die Vorschriften der ZPO gelten. Eine Verbindung beider Verfahren gem. § 20 FamFG sei zwar möglich, allerdings nur bei Sachdienlichkeit, die bei Verfahren gem. § 1361b BGB in den seltensten Fällen gegeben sei, weil Unterhaltsverfahren häufig schwierig und langwierig seien. Im vorliegenden Fall befänden sich beide Verfahren auch noch in unterschiedlichen Instanzen. Allein deshalb scheide eine Verfahrensverbindung aus.
Nur in Fällen, in denen der in der Wohnung verbleibende Ehegatte wirtschaftlich potent und daher nicht besonders schutzwürdig sei, sei dem weichenden Ehegatten eine Nutzungsentschädigung zuzusprechen, etwa, wenn er nach Verlassen der Ehewohnung in beengten Verhältnissen lebe (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 31.03.2010 – 4 WF 32/10). Etwas anderes gelte, wenn der allein nutzende Ehegatte eine Entschädigung finanziell nicht leisten könne und deshalb die Wohnung aufgeben müsste. Andernfalls würde der Schutz des § 1361b Abs. 1 BGB leerlaufen. Nicht nur die Höhe, sondern das Bestehen des Vergütungsanspruches selbst hingen nach dem Wortlaut des § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB von der Billigkeit ab. Nach diesen Maßstäben könne der Ehemann keine Nutzungsentschädigung von der Ehefrau beanspruchen.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des Kammergerichts steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.05.2012 – 4 UF 14/12; BGH, Beschl. v. 18.12.2013 – XII ZB 268/13). Bei der Nutzungsentschädigung ist zu beachten, ob und inwieweit dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch zusteht, unabhängig davon, ob er bereits geltend gemacht oder gerichtlich entschieden wurde (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.05.2012 – 4 UF 14/12). Dabei folgt der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach herrschender Meinung aus § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB als lex specialis gegenüber § 745 Abs. 2 BGB (a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.05.2013 – 6 UF 373/11).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Zuweisung der Ehewohnung gem. § 1361b BGB ist bereits möglich, wenn die häusliche Atmosphäre nachhaltig gestört ist und dies zu erheblichen Belastungen des Kindes führt (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 26.08.2013 – 14 UF 92/13 – m. Anm. Clausius, jurisPR-FamR 7/2014 Anm. 1). Grundsätzlich hat der weichende Ehegatte einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung, wobei seine wirtschaftliche Situation und potenzielle Trennungsunterhaltsansprüche des in der Wohnung verbleibenden Ehegatten zu prüfen und gegeneinander abzuwägen sind. Eine Nutzungsentschädigung in Höhe des Verkehrswerts dürfte in der Trennungszeit nur selten der Billigkeit entsprechen. Etwas anderes mag gelten, wenn Kinder nicht betroffen sind, wobei dann auch eine Aufteilung der ehelichen Wohnung möglich sein dürfte (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 26.08.2013 – 14 UF 92/13).