Wert einer Lebensversicherung im Pflichtteilsrecht
Anmerkung Maes zu: OLG Oldenburg (Oldenburg) 12. Zivilsenat, Urteil vom 23.02.2010 – 12 U 68/09 in jurisPR-FamR 15/2010 vom 20.7.2010
Orientierungssatz zur Anmerkung
Im Pflichtteilsrecht ist die Lebensversicherung mit der ausgezahlten Versicherungssumme an den Bezugsberechtigten zu bewerten.
A. Problemstellung
Das OLG Oldenburg befasste sich mit der bisher umstrittenen Rechtsfrage im Pflichtteilsrecht, ob eine Lebensversicherung mit dem Wert der ausgezahlten Versicherungssumme oder mit dem Wert der eingezahlten Versicherungsprämien zu bewerten ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten u.a. um die Bewertung einer Lebensversicherung, die der Erblasser mit widerruflicher Bezugsberechtigung zu Gunsten seiner als Alleinerbin eingesetzten Stieftochter abgeschlossen hatte. Hierauf hatte er Prämien von 1.804,65 Euro eingezahlt. Nach dem Tod des Erblassers zahlte die Versicherung an seine Stieftochter 103.000 Euro. Das Landgericht legte im Einklang mit der bisher herrschenden Meinung bei der Bewertung der Lebensversicherung lediglich die Prämienzahlungen zu Grunde.
Das OLG Oldenburg hob die Entscheidung auf und schloss sich der im Vordringen begriffenen Meinung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach die ausgezahlte Versicherungssumme für die Berechnung des Pflichtteils maßgebend sein soll (vgl. juris PR-FamR 27/2008, Linnartz). Sowohl nach rechtlicher als auch wirtschaftlicher Betrachtungsweise habe der Erblasser und Versicherungsnehmer nicht nur die Prämien, sondern den ihm bis zum Eintritt des Versicherungsfalls zustehenden Versicherungsanspruch weggegeben. Das folge auch daraus, dass der Versicherungsnehmer bis zu seinem Tode jederzeit den Bezugsberechtigten wechseln könne. Daher müsse von einer Zuwendung nicht nur der eingezahlten Versicherungsprämien, sondern der Versicherungsleistung selbst ausgegangen werden. Der Vorgang sei vergleichbar mit der Zuwendung von Fondsanteilen oder Sparbüchern, die für die Berechnung des Pflichtteils ebenfalls mit ihrem Wert zum Todesfall anzusetzen seien. Dabei würden auch erwirtschaftete Kursgewinne und Zinsen als Zuwendungen des Erblassers gewertet. Es sei nicht zu begründen, mit Lebensversicherungen anders zu verfahren, zumal dadurch die Schutzvorschrift des § 2325 BGB unterlaufen würde.
C. Kontext der Entscheidung
Das OLG Oldenburg folgt den Urteilen des OLG Düsseldorf vom 22.02.2008 (7 U 140/07 – VersR 2008, 1097), des LG Paderborn vom 14.01.2008 (4 O 595/06 – FamRZ 2008, 1292) und des LG Göttingen vom 23.03.2007 (4 S 6/06 – NJW-RR 2008, 19).
Der BGH hat den Meinungsstreit beendet (BGH, Urt. v. 28.04.2010 – IV ZR 73/08). Er hob die oben zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf auf. Seiner Auffassung nach komme es bei der Bewertung einer Lebensversicherung im Pflichtteilsrecht weder auf die eingezahlten Prämien, noch auf die ausgezahlte Versicherungssumme an.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil des OLG Oldenburg war ein weiterer Schritt auf dem Weg zur eingeleitetenÄnderung der Rechtsprechung bei Lebensversicherungen. Diese wurde nun mit der Entscheidung des BGH vom 28.04.2010, die künftig ihre Beachtung finden wird, klarstellend beendet.