Verfahrenskostenvorschuss und Verfahrenskostenhilfe – OLG Celle, 4.11.2013
Abgrenzung von Verfahrenskostenvorschuss und Verfahrenskostenhilfe
Anm. Maes zu OLG Celle, Beschluss vom 4.11.2013 – 17 WF 203/13 in Juris Praxisreport Familien- und Erbrecht vom 21.1.2014
Leitsätze
- Der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss setzt die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen voraus; der Vorschuss kann auch in Raten erbracht werden.
- Besteht nur ein ratenweiser Vorschussanspruch, ist dem Vorschussberechtigten Verfahrenskostenhilfe mit entsprechender Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen.
- Der Realisierbarkeit des Vorschussanspruchs kann soweit der Gesichtspunkt der Mutwilligkeit nicht entgegensteht durch einen adäquaten Einsatzzeitpunkt für die Ratenzahlung Rechnung getragen werden.
- Solange der Vorschusspflichtige selbst nicht um Verfahrenskostenhilfe nachsucht, kann die Auferlegung eines Vorschusses schließlich auch nicht unbillig erscheinen (vgl. dazu OLG Celle, Beschl. v. 29.07.2009 10 WF 222/09).
A. Problemstellung
In welchen Fällen kann trotz eines Anspruches auf Verfahrenskostenvorschuss zusätzlich ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe gegeben sein?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Familiengericht hatte den Antrag der Ehefrau auf Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung, der Ehemann sei verpflichtet, ihr einen Verfahrenskostenvorschuss zu zahlen. Dem stünde auch nicht entgegen, dass sein unterhaltsrelevantes Einkommen nur 47,93 Euro über seinem Selbstbehalt von 1.100 Euro liege. Auf die Beschwerde der Ehefrau hob das OLG Celle die Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.
Der in § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB geregelte Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts als Ausfluss der Unterhaltspflicht anzusehen. Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Vorschussverpflichteten sei auf die gültigen Selbstbehaltsätze und die Leitlinien zurückzugreifen. Soweit ein Ehegatte in der Lage sei, ohne Verletzung seines Eigenbedarfs Raten auf den Verfahrenskostenvorschuss zu leisten, stehe dem nicht entgegen, dass er den Vorschuss nicht in einer Summe aufbringen könne. Die unterhaltsrechtliche Natur wiederkehrender monatlicher Unterhaltsleitungen sprächen vielmehr ausdrücklich für eine Vorschusspflicht auch in Form von Ratenzahlungen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der vorschussberechtigte Ehegatte seinem Rechtsanwalt und der Staatskasse in vollem Umfang vorschusspflichtig sei. Diese Vorschusspflicht entfalle nämlich, wenn ihm – sei es auch nur gegen Raten – Verfahrenskostenhilfe bewilligt werde (vgl. BGH, Beschl. v. 04.08.2004 – XII ZA 6/04 Rn. 18, 19). Etwas anderes wäre dann der Fall, wenn der Vorschusspflichtige im selben Verfahren höhere Raten zu zahlen hätte, als nach § 115 Abs. 2 ZPO vorgesehen sei.
C. Kontext der Entscheidung
Der BGH stellte mit Beschluss vom 04.08.2004 (XII ZA 6/04) klar, dass ein Prozess- bzw. Verfahrenskostenvorschuss auf Raten gezahlt werden muss, wenn er ohne Verletzung des Selbstbehaltes nicht in einer Summe aufgebracht werden kann. Er beendete damit den in Rechtsprechung und Literatur geführten Meinungsstreit. Gleichzeitig gab der BGH auch Hinweise auf das Verhältnis von Prozesskostenhilfe und Prozesskostenvorschuss. Den Anspruch auf Prozesskostenvorschuss betrachtete er als Vermögenswert, der vom Unterhaltsberechtigten bei seinem Antrag auf Prozesskostenvorschuss mit der Folge zu berücksichtigen sei, dass Verfahrenskostenhilfe nur auf Ratenzahlung bewilligt werden könne. Das OLG Celle legt den Focus auf das Beziehungsgeflecht zwischen Verfahrenskostenvorschuss und Verfahrenskostenhilfe. Unter Hinweis auf seine Entscheidung vom 29.07.2009 (10 WF 222/09) stellt das OLG Celle klar, dass der Verfahrenskostenvorschuss auf Raten in § 115 Abs. 2 ZPO seine Grenze finde, also dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete selber Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung in Anspruch nehme. Dann sei seine Leistungsfähigkeit bis zum Selbstbehalt ausgeschöpft, sodass ihm kein weiteres Einkommen zur Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses zur Verfügung stehe.
Durch die zum 01.01.2014 in Kraft tretenden Einschränkungen bei der Prozesskostenhilfe bekommt der Prozess- bzw. Verfahrenskostenvorschuss zusätzliche Bedeutung. Daher sei noch auf folgende Gerichtsentscheidungen verwiesen: Nach der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 15.10.2013 (2 UFH 8/13) kann der Unterhaltspflichtige den Verfahrenskostenvorschuss nicht durch Darlehenshingabe an den Unterhaltsberechtigten abwenden. Nach dem Beschluss des OLG Brandenburg vom 10.09.2013 (3 WF 97/13) kann der Unterhaltsvorschuss von der Verwirkungseinrede des Unterhaltsverpflichteten erfasst werden. Das OLG Köln entschied durch Beschluss vom 06.05.2013 (II-12 WF 31/13), dass auch ein staatlicher Leistungsträger zum Verfahrenskostenvorschuss verpflichtet werden kann. Nach dem Urteil des KG Berlin vom 20.06.2008 (17 UF 24/08) kann ein gezahlter Prozesskostenvorschuss ausnahmsweise aus Billigkeitsgesichtspunkten zurückverlangt werden.
D. Auswirkungen für die Praxis
Im Vorgriff auf die zum 01.01.2014 geltenden Änderungen bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe weisen die Gerichte immer häufiger Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeanträge mit der Begründung zurück, der Bedürftige müsse vom Unterhaltspflichtigen Verfahrenskostenvorschuss verlangen, den er im Wege einstweiliger Anordnung kurzfristig realisieren könne. Bei Anträgen auf Zahlung von Trennungsunterhalt ist zu beachten, dass neben dem Quotenunterhalt regelmäßig kein Verfahrenskostenvorschuss beansprucht werden kann (vgl. Palandt, BGB, § 1360a Rn. 11; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.11.2010 – 16 WF 186/10; OLG München, Beschl. v. 13.09.2005 – 16 WF 1542/05).
Auch, wenn das eigentlich klar ist, sollten die Gerichte darauf hingewiesen werden, dass ein einmal gezahlter Verfahrenskostenvorschuss in der Regel nicht mehr zurückverlangt werden kann, auch nicht, wenn im Hauptverfahren die Pflicht zum Unterhaltsvorschuss im Nachhinein entfällt oder deutlich reduziert wird. Der Verfahrenskostenvorschuss unterliegt als Sonderbedarf den üblichen auf den Unterhalt anzuwendenden Vorschriften, also gerade auch dem Entreicherungseinwand, wenn er verbraucht ist. Eine Ausnahme hierzu machte das KG Berlin, weil der Unterhaltsberechtigte im Nachhinein zu Wohlstand gelangt war (vgl. KG Berlin, Urt. v. 20.06.2008 – 17 UF 24/08).
Schließlich besteht das Risiko, dass der geltend gemachte Verfahrenskostenvorschuss aus unzutreffenden Gründen vom Amtsgericht zurückgewiesen wird, ohne dass hiergegen ein Rechtsmittel gegeben wäre. Im Hinblick auf das damit verbundene, erhebliche Prozesskostenrisiko sollte weiterhin zu allererst Verfahrenskostenhilfe beantragt werden, um die Stimmungslage beim Gericht auszuloten. Darüber hinaus sollte in Betracht gezogen werden, den Verfahrenskostenvorschuss nur noch oder wenigstens parallel im Hauptverfahren geltend zu machen, damit eine ablehnende Entscheidung des Familiengerichts durch das Beschwerdegericht überprüft werden kann.