Durchsetzung von Kindesunterhalt im Wechselmodell
Die Durchsetzung von Kindesunterhalt im Wechselmodell ist mit vielen Hürden verbunden.
Anm. Maes zu OLG Schleswig 8. Zivilsenat, Beschluss vom 21.11.2023 – 8 UF 161/23 in Juris Praxisreport Familienrecht 1/2024
Problemstellung
Nach ständiger Rechtsprechung verlieren die Eltern beim Wechselmodell ihre Aktivlegitimation, können also keinen Kindesunterhalt einklagen. Aber es gibt Mittel und Wege, trotzdem den Kindesunterhalt durchzusetzen, was dann mit einigem Aufwand und mit Unwägbarkeiten verbunden ist.
Optionen für den Elternteil, der Kindesunterhalt durchsetzen will
Für die Durchsetzung von Kindesunterhalt im Wechselmodell kann der betreffende Elternteil einmal einen Ergänzungspfleger einsetzen lassen, zum anderen kann er sich das Recht übertragen lassen, den Kindesunterhalt im eigenen Namen geltend zu machen.
Unterschiedliche Praxis der Gerichte
Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist uneinheitlich. Manche Gerichte setzen auch dann einen Ergänzungspfleger ein, wenn der Elternteil den Kindesunterhalt selbst durchsetzen will. Andere Gerichte überlassen dem Elternteil das Wahlrecht, so das OLG Schleswig, aber auch der BGH.
Leitsatz des OLG Schleswig
Dem Elternteil, der die Barunterhaltsinteressen des in einem paritätischen Wechselmodell betreuten Kindes verfolgt, steht ein Wahlrecht zu, ob er beim Familiengericht eine Entscheidung nach § 1628 Satz 1 BGB beantragt oder ob er auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1809 Abs. 1 Satz 1 BGB hinwirkt. Das Wahlrecht zwischen diesen Alternativen steht nicht dem Familiengericht zu. Denn es muss zunächst über einen Antrag nach § 1628 Satz 1 BGB entscheiden, bevor es einen Ergänzungspfleger bestellen darf.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die nicht verheirateten Eltern praktizierten für ihre Kinder ein paritätisches Wechselmodell. Der Vater beantragte beim Familiengericht die sorgerechtliche Befugnis, gegen die Mutter Kindesunterhalt geltend zu machen. Ohne auf diesen Antrag einzugehen, bestellte die Familienrichterin einen Ergänzungspfleger für die Kinder, weil das vorzugswürdig sei. Denn die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Wechselmodell sei keine situative Angelegenheit i.S.d. § 1628 BGB. Außerdem könne eine Ergänzungspflegerin, zumal eine im Unterhaltsrecht erfahrene Rechtsanwältin die Sach- und Rechtslage mit Blick auf sich ändernde Einkommensverhältnisse regelmäßig überprüfen und darauf reagieren.
Das Beschwerdegericht hob diese Entscheidung auf, da die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft nach § 1809 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vorlägen. Danach sei nur dann ein Pfleger für bestimmte Angelegenheiten zu bestellen, wenn die Eltern daran gehindert seien. Aber dies treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu, weil beide Eltern in der Lage seien, Kindesunterhaltsansprüche gerichtlich geltend zu machen.
Im vorliegenden Fall sei dieses Recht dem Vater zu übertragen, zumal er einen entsprechenden Antrag nach § 1628 Satz 1 BGB gestellt habe. Letztlich habe der Elternteil, der die rechtlichen Interessen des Kindes verfolge, ein Wahlrecht zwischen der Bestellung eines Ergänzungspflegers und einer teilweisen Sorgerechtsübertragung gemäß § 1628 Satz 1 BGB.
Dies sei ständige Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschl. v. 12.03.2014 – XII ZB 234/13 Rn. 16; BGH, Urt. v. 21.12.2005 – XII ZR 126/03 Rn. 9; OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.06.2020 – 9 UF 36/20 Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.10.2016 – 6 UF 242/16 Rn. 4, dagegen: OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.03.2023 – 11 UF 214/22).
Kontext der Entscheidung
Schon im Jahr 2002 sprach das Kammergericht den Eltern bei wechselseitiger Betreuung in einem Verhältnis von 1/3 zu 2/3 die Aktivlegitimation ab, Kindesunterhalt gerichtlich geltend machen zu können (KG, Beschl. v. 07.03.2002 – 19 WF 367/01).
Dem hat sich der BGH im Urteil vom 21.12.2005 (XII ZR 126/03 Rn. 9) entgegengestellt und den Eltern nur bei annähernd gleicher Betreuung die Aktivlegitimation abgesprochen. In einem solchen Fall habe der betreffende Elternteil die Wahl, eine Ergänzungspflegschaft herbeizuführen oder sich die sorgerechtliche Befugnis zur gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunteralt nach § 1628 BGB übertragen zu lassen. Seit dieser Zeit gehen die meisten Gericht von einem Wahlrecht aus.
Demgegenüber meint das OLG Stuttgart im Beschluss vom 01.03.2023 (11 UF 214/22 Rn. 24), die rechtliche Verfolgung von Kindesunterhalt sei keine einmalige Angelegenheit i.S.d. § 1628 BGB, sondern bedürfe ständiger Anpassung, was für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft spreche.
Auswirkungen für die Praxis
Die Diskussionen in Rechtsprechung und Literatur zeigen, dass ein Wechselmodell immer noch mit erheblichen Vorbehalten zu kämpfen hat.
Zwar hat der BGH in der Grundsatzentscheidung vom 11.01.2017 (XII ZB 565/15) dem einkommensschwächeren Elternteil auch beim Wechselmodell einen Kindesunterhalt zugesprochen. Aber den Weg dorthin haben die Gerichte teuer und beschwerlich gestaltet. Bevor ein Elternteil Kindesunterhalt geltend machen darf, muss er ein Sorgerechtsverfahren anstrengen oder gerichtlich die Einsetzung eines Ergänzungspflegers beantragen.
In beiden Fällen entstehen Rechtsanwaltsgebühren von 850,85 Euro pro Elternteil, wobei der Ergänzungspfleger auch nicht umsonst arbeitet. Deshalb ist nicht einzusehen, dass Eltern beim Wechselmodell schlechtergestellt werden als beim Residenzmodell.
Außerdem leiden die Kinder darunter, wenn der Kindesunterhalt nicht gezahlt wird. Nachdem die Gerichte den Eltern bislang eine praktikable Lösung zum Kindesunterhalt beim Wechselmodell vorenthalten, ist der Gesetzgeber aufgerufen, § 1629 BGB dahin zu ändern, dass die Aktivlegitimation der Eltern auch beim Wechselmodell fortbesteht.
Siehe auch den Beitrag: BGH – Kindesunterhalt auch im Wechselmodell