Doppelverwertung von Schulden bei Unterhalt und Zugewinn – OLG Koblenz 30.5.2007
Über das Verbot der Doppelverwertung von Schulden bei Unterhalt und Zugewinn ist von der Rechtsprechung in einigen aber nicht in allen denkbaren Konstellationen entschieden worden. Trotzdem bleibt das Thema weiterhin heikel.
Anmerkung Maes zu OLG Koblenz, Urteil vom 30.05.2007 – 9 UF 45/07 in Juris Praxisreport Familien- und Erbrecht 20/07 vom 2.10.2007
Doppelverwertung von Schulden zulässig
Aktives Vermögen darf nach der Rechtsprechung nur einmal zulasten des Betreffenden angesetzt werden. Warum das bei Schulden anders sein soll, erschließt sich nicht.
Leitsatz
Auch Schulden, die bereits zu einer Reduzierung des Unterhaltsanspruchs des Ehegatten geführt haben, sind vom Endvermögen als Verbindlichkeit abzuziehen. Ein Verbot der Doppelverwertung ist nicht anzuerkennen.
Orientierungssatz des Autors
Ist die unterschiedliche Behandlung von Aktiv-Vermögen und Verbindlichkeiten bei der Anwendung des Verbots der Doppelverwertung von Schulden bei Unterhalt und Zugewinn gerechtfertigt?
A. Problemstellung
Das OLG Koblenz befasste sich mit dem bisher noch nicht in der Rechtsprechung geklärten Fall, inwieweit Schulden, die bereits bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt wurden, auch beim Zugewinnausgleich abzuziehen sind.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Familiengericht hatte durch Verbundurteil den Antrag der Ehefrau auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt zurückgewiesen und den Ehemann zum Zugewinnausgleich verurteilt.
Auf die Berufung des Ehemannes wies das OLG Koblenz die Klage der Ehefrau auf Zugewinnausgleich ab. Der Ehemann habe unter Berücksichtigung seiner Schulden zum Stichtag während der Ehezeit keinen Zugewinn erworben. Die Begründung des Familiengerichts, diese Schulden hätten bereits den Ehegattenunterhalt für die Ehefrau entfallen lassen und seien daher nicht noch einmal beim Zugewinnausgleich zu ihren Lasten abzuziehen, sei unzutreffend.
Es werde zwar die Auffassung vertreten, dass Schulden, die bereits im Zugewinnausgleich berücksichtigt worden seien, im Unterhaltsverfahren auf Seiten des Verpflichteten seine Leistungsfähigkeit nicht verringern (so etwa das OLG München, Beschl. v. 26.11.2004 – 16 UF 1631/04 – FamRZ 2005, 713 und das OLG Saarbrücken, Urt. v. 25.01.2006 – 9 UF 47/05 – FamRZ 2006, 1038 m. Anm. Kogel), der umgekehrte Fall sei von der Rechtsprechung aber noch nicht behandelt worden.
Im vorliegenden Fall sei die streng formalisierte Stichtagsregelung im Zugewinnausgleichsverfahren maßgebend. Das habe der BGH im Urteil vom 24.08.2003 (XII ZR 300/01 – FamRZ 2003, 1544) in einem obiter dictum noch einmal betont. Mit dem strengen Stichtagsprinzip sei es nicht zu vereinbaren, Schulden außer Acht zu lassen. Das gelte auch, wenn sie sich bedarfs- oder leistungsmindernd bei der Unterhaltsberechnung ausgewirkt hätten. Der Unterhaltsanspruch könne sich mit jedem Monat des Entstehens ändern und bei Wiederverheiratung gem. § 1586 Abs. 1 BGB sogar erlöschen. Deshalb lasse sich die genaue Auswirkung auf den Zugewinnausgleich nicht zuverlässig errechnen. Außerdem habe ein möglicher Wegfall oder eine Verringerung des Unterhaltsanspruchs keinen Einfluss mehr auf den rechtskräftigen Zugewinnausgleich. Daher komme eine Nichtberücksichtigung von Schulden beim Endvermögen wegen einer möglichen Auswirkung auf den laufenden Unterhalt von vornherein nicht in Betracht.
C. Kontext der Entscheidung
Soweit ersichtlich, sprach sich erstmalig das OLG Frankfurt dafür aus, eine Arbeitnehmerabfindung wegen des Verbots der Doppelverwertung von Schulden bei Unterhalt und Zugewinn unberücksichtigt zu lassen, wenn sie bereits in eine Unterhaltsberechnung eingeflossen war. (OLG Frankfurt, Urteil vom 24.06.1999 – 6 UF 134/98 in FamRZ 2000, 611). Gleiches entschied der BGH durch Urteil vom 21.04.2004 (XII ZR 185/01 – NJW 2004, 2675 – FamRZ 2004, 1352).
Danach sollte eine gesellschaftsrechtlich ausgestaltete Mitarbeiterbeteiligung, die schon bei einem Unterhaltsvergleich zugunsten des Unterhaltsberechtigten angerechnet worden war, nicht auch noch dessen Zugewinnausgleich erhöhen. (BGH, Urt. v. 11.12.2002 – XII ZR 27/00 – FamRZ 2003, 432).
Andererseits hatten das OLG München und das OLG Saarbrücken zugunsten des Unterhaltsberechtigten solche Schulden des Unterhaltspflichtigen unberücksichtigt gelassen, die im Zugewinnausgleich sein Endvermögen verringert hatten.
Die überwiegende Literatur (siehe im Urteil des OLG Koblenz – m.w.N.) begrüßt das Verbot der Doppelverwertung. Allerdings kritisiert sie die Urteilsbegründungen einiger Gerichte in dogmatischer Hinsicht.
D. Auswirkungen für die Praxis
Nach der bisherigen Rechtsprechung unterfallen lediglich Arbeitnehmerabfindungen und Mitarbeiterbeteiligungen als aktive Vermögenspositionen der Doppelverwertung im Zugewinnausgleich wenn sie vorher bereits zu einer Erhöhung des Unterhalts geführt haben. Außerdem sind monatliche Tilgungszahlungen auf Schulden, die den Zugewinnausgleich reduziert haben, nicht auch noch einmal beim Unterhalt abzuziehen.
Demgegenüber bleibt offen, ob die Gerichte dem OLG Koblenz darin folgen. Danach können Schulden, die zulasten des Unterhaltsberechtigten den Unterhalt reduzieren, ein zweites Mal zu seinen Lasten den Zugewinnausgleich mindern.
Gegen das Urteil des OLG Koblenz ließe sich anführen, dass die dort zitierte BGH Entscheidung aus dem Jahr 2003 einen anderen Fall betraf. Darüberhinaus bezog es sich auf das durch die aktuelle Rechtsentwicklung überholte Urteil des BGH vom 23.04.1986 (IV b ZR 2/85 – NJW-RR 1986, 1325).
Siehe auch den Beitrag Zugewinnausgleich – Grundwissen