Befristung des Unterhalts bei 25-jähriger Ehe auf 8 Jahre
Anmerkung Maes zu: OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2009, Az 18 UF 10/09 in Juris Praxisreport Familien- und Erbrecht 21/2009 Anm. 4
Leitsätze
- Der nachträglichen Herabsetzung und/oder zeitlichen Begrenzung einer in einem Prozessvergleich ohne Befristung vereinbarten Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts nach § 323 ZPO i.V.m. §§ 313, 1578b BGB steht nicht entgegen, dass der Vergleich (erst) im Jahre 2004 (also unter Geltung der Befristungsmöglichkeiten nach §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB i.d.F. des UÄndG v. 20.02.1986) geschlossen wurde.
-
Hat der Unterhaltsberechtigte nennenswerte fortdauernde ehebedingte Nachteile nicht nachgewiesen, obwohl die Umstände einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nahe legen, steht auch eine Ehedauer von 25 Jahren (gerechnet bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags) einer zeitlichen Begrenzung und Herabsetzung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt nach § 1578b BGB nicht entgegen [hier: Herabsetzung und zeitliche Begrenzung auf 8 Jahre nach alsbald nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags rechtskräftig gewordenem Scheidungsurteil].
A. Problemstellung
Darf ein Unterhaltsvergleich aus dem Jahre 2004 trotz der schon nach altem Recht möglichen Befristung und Begrenzung gemäß §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. aufgrund der Unterhaltsreform abgeändert werden? Nach welchen Kriterien ist eine nachträgliche Befristung und Herabsetzung eines Unterhaltstitels vorzunehmen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Bis zur Rechtshängigkeit der Scheidung im Jahr 2002 dauerte die Ehe 25 Jahre. Im Jahr 2004 schlossen die Parteien einen Vergleich über einen Unterhalt von 880 € monatlich. Die Ehefrau arbeitete während der Ehe mit Ausnahme von drei Geburtspausen halbtags als Erzieherin. Nach – 2 – der Trennung der Parteien im Jahre 2001 stockte sie ihre Halbtagsstelle auf 24 Stunden pro Woche auf zu einem Nettoeinkommen von 1.210 € monatlich. Hinzu kamen 100 € monatliche Einkünfte aus Kapital, das sie bei der Vermögensauseinandersetzung Anfang 2004 erhalten hatte. Auf die Abänderungsklage des Ehemannes befristete das AG Freiburg den Unterhalt bis Februar 2010. Das sei, auch angesichts der Ehedauer und des Alters der Ehefrau von 52 Jahren gerechtfertigt, weil sie knapp fünf Jahre Unterhalt bezogen und ehebedingte Nachteile bei einem fiktiven Nettoeinkommen aus Vollzeittätigkeit von 1.917 € nicht erlitten habe.
Auf die Berufung der Ehefrau verlängerte das OLG Karlsruhe die Befristung um weitere zwei Jahre bis Februar 2012, begrenzte allerdings den Unterhalt für diese Zeit auf 440 € monatlich. Das Familiengericht habe zutreffend auf die zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Jahr 2004 herrschende Rechtsprechung verwiesen, wonach die Begrenzungsvorschrift des § 1573 Abs. 5 BGB regelmäßig nicht angewendet worden sei. Noch mit Urteil vom 09.06.2004 (XII ZR 308/01- FamRZ 2004, 1357) habe der BGH deutlich gemacht, dass sich eine Ehedauer von mehr als zehn Jahren dem Grenzbereich nähere, ab dem eine zeitliche Begrenzung des Unterhalts nicht mehr in Frage komme. Von dieser Rechtsprechung sei der BGH erst mit Urteil vom 12.04.2006 (XII ZR 240/03 – FamRZ 2006, 1006) abgewichen. Aufgrund der Einführung des § 1578b BGB durch das Unterhaltsreformgesetz habe sich die dem Unterhaltsvergleich der Parteien zu Grunde liegende Gesetzeslage schwerwiegend verändert mit der Folge, dass dem Ehemann ein Festhalten an dem Vergleich nicht mehr zumutbar und der Unterhaltsanspruch der Ehefrau daher gemäß § 313 Abs. 1 BGB herabzusetzen und zu befristen sei. Die Ehefrau habe ehebedingte Nachteile von allenfalls 60 € nachgewiesen. Dass sie ohne die Ehe Kindergartenleiterin in München mit 180 Plätzen geworden wäre, habe sie nicht hinreichend dargelegt. Ohne die Ehe würde sie allenfalls die Position einer Gruppenleiterin im Kindergarten bekleiden und nach öffentlich rechtlichen Besoldungsvorschriften 1.770 € netto monatlich verdienen. Der geringfügige ehebedingte Nachteil von 60 € stehe einer Befristung des Unterhaltsanspruchs ebenso wenig entgegen wie die merklich besseren Einkommensverhältnisse des Ehemannes.
Entgegen dem Amtsgericht sei es allerdings angemessen, den Unterhaltsanspruch nicht schon im März 2010, sondern erst zwei Jahre später entfallen zu lassen, unter Absenkung des derzeit gezahlten Unterhalts auf die Hälfte. Die Länge der Übergangs- und Schonfrist für den Unterhaltsberechtigten bemesse sich nach Billigkeit, wobei die in § 1578b Abs. 1 Sätze 2, 3 BGB angeführten Kriterien zu berücksichtigen seien. Bei einer Ehedauer von 25 Jahren und der in dieser Zeit erfolgten Betreuung von drei Kindern sei die Befristung des Unterhalts auf acht Jahre ab Rechtskraft der Scheidung angemessen und der Ehefrau gemäß § 36 Nr. 1 EGZPO auch zumutbar. Die von ihr getroffenen Vermögensdispositionen – Anmietung einer Drei-Zimmer-Wohnung, regelmäßige Unterstützung der Kinder und 14-tägige Besuche des schwerkranken Vaters in Würzburg – könne sie der Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nicht entgegenhalten. Zum einen seien sie schon vor Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform mit einem unterhaltsrechtlichen Risiko behaftet gewesen, zum anderen könnten sie in der eingeräumten Frist rückgängig gemacht werden, soweit die Beklagte sie aus eigenem Einkommen nicht tragen könne.
C. Kontext der Entscheidung
Bisher hat der BGH im Urteil vom 28.02.2007 (XII ZR 37/05 – FamRZ 2007, 793) zwar eingeräumt, dass er an seiner früheren Rechtsaufassung zur Befristung und Begrenzung nach alter Rechtslage nicht mehr festhalte (vgl. Rn. 56-58 nach juris), jedoch keinen klaren Zeitpunkt benannt, ab wann eine nachträgliche Befristung von Unterhaltstiteln wegen seiner geänderten Rechtssprechung ausgeschlossen sei. Die herrschende Meinung lässt eine Abänderung zu, sofern der Titel in der Zeit vor dem BGH-Urteil vom 12.04.2006 geschaffen wurde (vgl. Palandt, BGB, § 1578b Rn. 20). Das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 09.10.2008 – 5 WF 107/08 – FamRZ 2009, 1161) hat diesen Zeitpunkt für einen Vergleich vom 03.07.2006 sogar auf den 15.07.2006 ausgedehnt, da das betreffende BGH-Urteil erst am 15.07.2006 in der FamRZ veröffentlicht worden sei. In einem vergleichbaren Fall hatte das OLG Frankfurt (Beschl. v. 26.01.2009 – 2 UF 253/08 – FamRZ 2009, 1162) die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs aus dem Jahr 2005 mit Befristung bis März 2010 bestätigt. Die Ehe dauerte 18 Jahre, die Familienphase mit Haushaltstätigkeit und Betreuung zweier Kinder neun Jahre. Die ehebedingten Nachteile hätte die zum Zeitpunkt der Trennung 42-jährige Frau bei entsprechenden Bemühungen ohne weiteres kompensieren können. Im Hinblick auf erhebliche Unterhaltszahlungen über 15 Jahre seien zwei weitere Jahre bis zur Befristung ausreichend, um sich auf ein eigenes Einkommen von wenigstens 1.700 € netto einzustellen. Weitere Entscheidungen: OLG Bremen, Beschl. v. 05.03.2009 – 4 UF 116/08 – NJW 2009, 1976: Befristung von Krankheitsunterhalt aus einem 2002 geschlossenen Vergleich bis – 3 – zum Jahr 2012; OLG Schleswig, Urt. v. 26.01.2009 – 15 UF 76/08 – NJW 2009, 2223: Befristung von Altersunterhalt aus einem Vergleich vom März 2006; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.01.2009 – 8 UF 203/08 – FPR 2009, 371: Befristung und Begrenzung von Aufstockungs- und Krankheitsunterhalt bei 12-jähriger Ehe mit einem Kind aus einem 2005 geschlossenen Vergleich bis Juni 2010.
Die vom OLG Karlsruhe vorgenommene Befristung des Unterhalts auf acht Jahre ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages unter Absenkung des Unterhalts für die letzten beiden Jahre auf die Hälfte bewegt sich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung: BGH, Urt. v. 14.11.2007 – XII ZR 16/07 – FamRZ 2008, 134: Befristung auf fünf Jahre nach fünfjähriger Trennung; OLG Brandenburg, Urt. v. 30.06.2009 – 10 UF 175/08: Befristung auf neun Jahre ab Trennung; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.02.2009 – 2 UF 200/08 – FamRZ 2009, 1160: Befristung auf vier Jahre ab Rechtskraft der Scheidung.
D. Auswirkungen für die Praxis
Nachdem nunmehr gut eineinhalb Jahre seit der Unterhaltsreform zahlreiche Entscheidungen zur nachträglichen Befristung und Begrenzung von Aufstockungsunterhalt vorliegen, bringt das Urteil nicht wirklich Neues, auch wenn es erstmalig die Frage problematisiert, ob denn – offenbar im Gegensatz zu Unterhaltsurteilen – die nachträgliche Abänderung von Unterhaltsvergleichen an den schon nach altem Recht gegebenen Begrenzungsmöglichkeiten scheitern könnte. Das Urteil handelt die bei der Abänderung von Unterhaltsvergleichen vor dem 15.07.2006 vorzunehmende Billigkeits- und Zumutbarkeitsprüfung gemäß § 1578b BGB quasi lehrbuchartig ab und kann dem Rechtsanwender gute Argumentationshilfen liefern.