Befristung des Unterhaltes nach 28 Jahren Ehe
Anmerkung Maes zu OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2005, Az. II-7 UF 111/05, in Juris Praxisreport Familien- und Erbrecht 11/06 vom 30.5.2006
Orientierungssatz des Autors
Auch bei einer Ehe von besonders langer Dauer ist eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs zulässig. Abzustellen ist nicht nur formal auf die Ehedauer. Vielmehr sind auch die Dauer der Trennungszeit und berufliche Tätigkeiten während der Ehedauer zu berücksichtigen. Das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, stellt ein allgemeines Lebensrisiko dar, ist also kein ehebedingter Nachteil.
A. Problemstellung
Unter welchen Umständen kommt eine Befristung des Aufstockungsunterhaltes gem. § 1573 Abs. 5 BGB auch bei langer Ehedauer in Betracht?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Auf die Berufung des Ehemanns befristete das OLG Düsseldorf den Aufstockungsunterhalt der Ehefrau auf fünf Jahre. Entgegen ihrer Auffassung könne nicht allein auf den formalen Gesichtspunkt der langen Ehedauer abgestellt werden. Die Ehe habe bis zur Scheidung zwar 28 Jahre betragen und die Ehefrau habe während der Ehe das gemeinsame Kind betreut. Allerdings habe sie zu dieser Zeit schon stundenweise auf Honorarbasis gearbeitet, bereits ein Jahr nach Beginn der siebenjährigen Trennungszeit eine halbschichtige Teilzeitbeschäftigung aufgenommen und kurze Zeit später eine Vollzeitstelle angetreten. Die dortige Vergütung von bereinigt deutlich mehr als 1.700 € habe ihrer Qualifikation als Sozialpädagogin entsprochen. Aus dem Versorgungsausgleich fließe ihr eine nicht unerhebliche Altersvorsorge zu. Zudem hätten die Eheleute aus dem Verkauf des gemeinsamen Einfamilienhauses nicht unerhebliche Rücklagen bilden können. Das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren, sei nicht als ehebedingter Nachteil anzusehen, sondern stelle ein allgemeines Lebensrisiko dar, das nicht in die Gesamtabwägung mit einfließen könne. Nach allem habe frühzeitig eine gründliche Entflechtung der wirtschaftlichen und beruflichen Dispositionen der Eheleute stattgefunden, so dass eine Befristung des Ehegattenunterhaltes geboten sei. Der Senat zitierte in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des OLG Hamm (Urt. v. 14.01.2005 – 11 UF 59/04 – FamRZ 2005, 1177) und des OLG Karlsruhe (Urt. v. 14.12.2004 – 20 UF 99/04 – FamRZ 2005, 1179) sowie den Beitrag von Viefhues in ZFE 2004, 262. Die Revision wurde nicht zugelassen.
C. Kontext der Entscheidung
Das OLG Düsseldorf zieht mit erstaunlicher Klarheit die Konsequenzen aus dem Grundsatzurteil des BGH vom 13.06.2001 (XII ZR 343/99) zur Anwendung der Differenzmethode: Dort hatte der BGH die wirtschaftliche Benachteiligung des Unterhaltspflichtigen, die durch den Wechsel von der Anrechnungs- zur Differenzmethode entstanden war, damit gerechtfertigt, dass eine zeitliche Begrenzung des Unterhalts gemäß den §§ 1573 Abs. 5 und 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB möglich sei. Im Urteil vom 09.06.2004 (XII ZR 308/01 – FamRZ 2004, 1357) bestätigte der BGH diese Position zwar nochmals und bekräftigte, es widerspräche Sinn und Zweck des § 1573 Abs. 5 BGB, den Billigkeitsgesichtspunkt „Dauer einer Ehe“ im Sinne einer festen Zeitgrenze zu bestimmen. Bei genauerer Betrachtung erweist sich diese Entscheidung aber als Rückschritt: Schon eine Ehedauer von mehr als zehn Jahren soll im Rahmen der Billigkeitsabwägung des § 1573 Abs. 5 BGB zu einer dauerhaften Unterhaltsgarantie führen können. Je länger die Ehe darüber hinaus andauert, was unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten regelmäßig der Fall ist, desto größeres Gewicht kommt der Ehedauer bei der Billigkeitsabwägung zu. Eine zeitliche Begrenzung des Ehegattenunterhalts ist in diesen Fällen nur noch bei außergewöhnlichen Umständen möglich, im Klartext: Bei langer Ehedauer ist eine zeitliche Begrenzung des Ehegattenunterhalts regelmäßig unbillig und damit ausgeschlossen!
Hiervon unbeirrt greift der Senat des OLG Düsseldorf die vom Gesetz und der Rechtsprechung der BGH abstrakt eingeräumten Befristungsmöglichkeiten auf und entwickelt hierfür verlässliche und nachvollziehbare Kriterien. Zum derzeitigen Stand in der Rechtsprechung vgl. die Anmerkung im juris PR-FamR 26/2005, Anm. 3, Viefhues, mit weiteren Nachweisen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Wer den unterhaltspflichtigen Ehegatten vertritt, sollte sich auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf beziehen, ausführlich zur wirtschaftlichen und beruflichen Entflechtung bei den Eheleuten vortragen (vgl. auch juris PR-FamR 26/2005, Anm. 3, Viefhues) und hoffen, dass sich der für ihn zuständige OLG-Senat der neuen Linie öffnet. Dem Vertreter des unterhaltsberechtigten Ehepartners ist in solchen Fällen der Weg zum BGH verbaut: Nach der Übergangsvorschrift des § 26 Nr. 9 EGZPO können Urteile der Oberlandesgerichte in Familiensachen, die bis zum 31.12.2006 ergangen sind, nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden!
Ab 2007 darf man dagegen gespannt sein, wie sich der BGH zu den zukünftig ergehenden Urteilen zur Befristung positioniert. In diesem Zusammenhang wird wohl auch eine Rolle spielen, ob und inwieweit die geplante Reform des Unterhaltsrechts umgesetzt worden ist. Dort ist vorgesehen, die lebenslange Garantie des ehelichen Lebensstandards durch weitere Begrenzungstatbestände einzuschränken und stärker auf die Eigenverantwortlichkeit abzustellen.