Befristung des Aufstockungsunterhaltes nach Ehedauer von 18 Jahren
Anmerkung Maes zu: OLG Brandenburg, Urteil vom 19.12.2006 – 10 UF 164/06 in Juris Praxisreport Familien- und Erbrecht 7/07, 3.4.2007
Orientierungssatz des Autors
Es widerspricht Sinn und Zweck des § 1573 Abs. 5 BGB, die Dauer einer Ehe im Sinne einer festen Zeitgrenze zu bestimmen.
A. Problemstellung
Unter welchen Voraussetzungen ist die Befristung des Ehegattenunterhaltes angesichts einer 18-jährigen Ehedauer und der Betreuung von zwei minderjährigen Kindern während der Ehe nach der Vorschrift des § 1573 Abs. 5 BGB zulässig?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Aus der 1985 geschlossenen Ehe gingen zwei Söhne hervor, die bei der Trennung der Eltern 17 bzw. 13 Jahre alt waren. Die Ehezeit endete im Jahr 2003.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht befristete den Ehegattenunterhalt der Ehefrau bis zum Ablauf des Jahres 2011. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung gem. § 1573 Abs. 5 BGB hielt es die zeitliche Begrenzung auch angesichts der mit gut 18 Jahren relativ langen Ehedauer für zulässig. Es widerspreche Sinn und Zweck der Vorschrift, die Dauer einer Ehe im Sinne einer festen Zeitgrenze zu bestimmen. Abgesehen davon stehe auch eine lange Ehedauer einer Befristung grundsätzlich nicht entgegen, wie schon der BGH am 12.04.2006 (XII ZR 240/03 – NJW 2006, 2401) entschieden habe.
Eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards sei nur dann angemessen, wenn die Ehe lange gedauert habe, wenn aus ihr gemeinsame Kinder hervorgegangen seien, die der Berechtigte betreut oder betreut habe, wenn er erhebliche berufliche Nachteile um der Ehe willen auf sich genommen habe oder wenn sonstige Gründe, wie Alter oder Krankheit für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie sprächen. Anderenfalls sei ihm nach einer Übergangszeit der Lebensstandard zuzumuten, den er vor der Ehe gehabt habe.
Eine Behinderung ihrer beruflichen Entwicklung oder wesentliche Einkommenseinbußen, etwa durch die Betreuung der beiden gemeinsamen Söhne, habe die Ehefrau nicht vorgetragen. Anhaltspunkte seien dafür auch nicht ersichtlich. Seit der Trennung habe die Ehefrau hinreichend Gelegenheit gehabt, sich auf die neue Lebenssituation einzustellen. Ihre anfangs stundenweise Erwerbstätigkeit habe sie ab Januar 2006 auf eine Ganztagsarbeit ausgeweitet und behaupte auch nicht, ihr Gehalt entspräche nicht ihrer Qualifikation als Wirtschaftskauffrau. Sie habe auch nicht vorgetragen, die Differenz zwischen den beiderseitigen Einkünften sei ein ehebedingter Nachteil. Schließlich gebe auch die regelmäßig bis zum 16. Lebensjahr erforderliche Kinderbetreuung keine Veranlassung, von einer Befristung des Aufstockungsunterhalts abzusehen. Eine unbegrenzte Lebensstandardgarantie zu Lasten des Ehemannes erscheine danach unbillig.
Die zum Zeitpunkt der Scheidung erst 40 Jahre alte Ehefrau erhalte durch die Befristung des nachehelichen Unterhaltes auf ca. fünf Jahre hinreichend Gelegenheit, sich auf die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse einzustellen, zumal sie auch nach Wegfall der Unterhaltszahlungen mit ihrem eigenen Einkommen einen angemessenen Lebensstandard.
C. Kontext der Entscheidung
Allmählich ändert sich die seit über 20 Jahren bestehende Praxis der Gerichte, dem weniger verdienenden Ehegatten nach der Scheidung ohne weiteres eine lebenslange Unterhaltsrente zuzusprechen. Erst seit wenigen Jahren wird in seltenen Ausnahmefällen von der Befristungsmöglichkeit der §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 BGB Gebrauch gemacht (vgl. juris PR-FamR 26/2005 Anm. 4, Viefhues m.w.N.).
Das Brandenburgische OLG argumentiert nahezu gleichlautend wie zuvor das OLG Düsseldorf im Urteil vom 17.11.2005 (II-7 UF 111/05, 7 UF 111/05 – NJW-RR 2006, 505). Es ließ allerdings die Revision zu, offenbar ermutigt durch die im Urteil mehrfach zitierte Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2006, der von seiner bisherigen Linie abzurücken scheint, nur in eher theoretischen Fallkonstellationen eine Befristung des Unterhalts zuzulassen (vgl. juris PR-FamR 11/2006 Anm. 1, Maes m.w.N.).
Die Sogwirkung des Unterhaltsreformgesetzes, dessen In-Kraft-Treten in seiner jetzigen Entwurfsfassung zwar vom 01.04.2007 auf den 01.07.2007 verschoben wurde, erfasst zusehends die aktuelle Rechtsprechung und ermuntert offenbar dazu, die heute schon vorhandenen Begrenzungsmöglichkeiten bewusster auszuschöpfen. Gleichzeitig geben die aktuellen Entscheidungen schon Anhaltspunkte für die zu erwartende Auslegung der zahlreichen Billigkeitsklauseln in den beabsichtigten Regelungen der §§ 1574, 1577, 1578b, 1579, 1615l BGB.
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Vertreter des Unterhaltspflichtigen sollte unbedingt Befristungsanträge stellen und sich auf die inzwischen schon zahlreich ergangenen Urteile stützen, die in den oben zitierten Anmerkungen aufgeführt sind. Er sollte zur wirtschaftlichen Entflechtung der Lebensbereiche und zur beruflichen Qualifikation sowie zum Lebensstandard des Berechtigten vor und nach der Ehe ausführlich vortragen.
Der Vertreter des Unterhaltsberechtigten sollte konkrete, ehebedingte Nachteile vortragen, etwa, wenn der Unterhaltsberechtigte unter Verzicht auf eigenes berufliches Fortkommen die berufliche Karriere des Ehepartners maßgeblich gefördert und unterstützt hat. Der bloße Hinweis auf die Betreuung gemeinsamer Kinder dürfte nicht mehr ausreichend sein. Weiter ist zu prüfen, inwieweit sein Alter oder sein Gesundheitszustand einer Unterhaltsbefristung entgegenstehen könnten.