Ausgleichsanspruch bei Kreditaufnahme durch nur einen Ehegatten für gemeinsames Grundstück
Erstmalig sprach der BGH einem Ehegatten bei alleiniger Kreditaufnahme für ein gemeinsames Grundstück einen Ausgleichsanspruch zu.
Anm. Maes zu BGH, Urteil vom 25.03.2015 – XII ZR 160/12 in Juris Praxisreport Familien- und Erbrecht 22/2015 vom 27.10.2015
Ausgleichsanspruch bei Kreditaufnahme durch nur einen Ehegatten
Leitsatz
Zur Ausgleichspflicht eines Ehegatten für Zins- und Tilgungsleistungen, die der andere Ehegatte im Rahmen des sogenannten Zweikontenmodells nach der Trennung auf ein von ihm allein aufgenommenes Darlehen zur Finanzierung des gemeinsamen Familienwohnheims erbracht hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 21.07.2010 – XII ZR 104/08 – FamRZ 2010, 1542).
A. Problemstellung
Kann ein hälftiger Ausgleich von Zins- und Tilgungsleistungen für einen Hauskredit verlangt werden, den nur ein Ehegatte aufgenommen hat, um die Zinsen im Rahmen eines sogenannten Zwei-Konten-Modells als Betriebsausgaben absetzen zu können.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Ehefrau verlangte die hälftige Erstattung der von ihr allein erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen für die Finanzierung des Familieneigenheims. Das Darlehn hatte sie allein aufgenommen, um die Zinsen als Betriebsausgaben absetzen zu können. Landgericht und Oberlandesgericht hatten ihre Klage auf Zahlung von 32.451,98 Euro zurückgewiesen.
Begründung des BGH
Die Revision zum BGH hatte Erfolg. Zwar stehe der Ehefrau kein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, da kein gemeinsames Darlehen vorliege. Es habe auch keine ausdrückliche Vereinbarung der Eheleute über den Ausgleich dieses Darlehens im Innenverhältnis bestanden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei ein Ausgleichsanspruch der Parteien nicht durch stillschweigende Vereinbarung ausgeschlossen worden.
Ausgleichsanspruch auch, wenn kein gemeinsames Darlehn aufgenommen wurde
Ein Ausgleichsanspruch der Eheleute könne auch dann bestehen, wenn sie nicht Gesamtschuldner des Darlehens seien. Das sei der Fall, wenn einer von ihnen ein Darlehen im Interesse des anderen aufgenommen habe. Dann ergebe sich die Ausgleichsverpflichtung aus einer entsprechenden konkludenten Vereinbarung über die Gestaltung des Innenausgleichs. Das folge aus dem Rechtsgedanken des § 426 Abs. 1 BGB. Außerdem lasse sich das aus den Bestimmungen über die Bruchteilsgemeinschaft der §§ 748, 755 BGB ableiten. Danach hafteten die Teilhaber für Verbindlichkeiten in Bezug auf den gemeinschaftlichen Gegenstand nach dem Verhältnis ihrer Anteile, soweit sich aus einer Vereinbarung oder den besonderen Umständen des Falles nicht etwas anderes ergäbe.
Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft löst Ausgleichsanspruch aus
Nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehe für einen Ehegatten im Zweifel kein Anlass mehr, dem anderen eine weitere Vermögensmehrung zukommen zu lassen. Allerdings komme nicht ohne weiteres eine hälftige Ausgleichsregelung zum Tragen. Vorher sei zu fragen, welche rechtliche oder tatsächliche Ausgestaltung an die Stelle der während der Ehe praktizierten Regelung getreten sei. Zwar seien die Feststellungen zu einer konkludent abgeschlossenen Vereinbarung als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar, im vorliegenden Fall liege hier jedoch ein Rechtsfehler vor.
Innenverhältnis der Eheleute ist zu berücksichtigen
Das Berufungsgericht habe wesentliche Umstände, die auf das Innenverhältnis der Parteien Rückschlüsse zulassen können, nicht berücksichtigt. Es stütze seine Begründung zu Unrecht darauf, die unter den Parteien einvernehmlich gewählte steuerliche Einordnung der Darlehen lasse keinen Raum für eine konkludent getroffene Erstattungsvereinbarung. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergäbe sich aus der einvernehmlich gewählten steuerrechtlichen Gestaltung der Finanzierung des gemeinsamen Familienheimes nicht zwingend, dass die Ehefrau im Verhältnis zum Ehemann die gesamten Finanzierungsleistungen alleine tragen wollte.
Ehefrau hatte ihr Darlehn für das gemeinsame Haus zurückgezahlt
Abgesehen davon habe das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass sich die von der Ehefrau erbrachten Leistungen nur bezüglich des Zinsanteiles steuermindernd auswirkten. Der Tilgungsanteil der Zahlungen, der steuerrechtlich ohne Bedeutung gewesen sei, habe jedenfalls auch das Vermögen des Ehemannes vermehrt. Dass der Ehemann von einer hälftigen Beteiligung an der Darlehensrückzahlung ausgegangen sei, lasse sich auch daraus ableiten, dass er damit einverstanden gewesen sei, nach Verkauf des gemeinsamen Hauses vor der Teilung des Erlöses auch die bestehenden Darlehensverbindlichkeiten abzuziehen. Hierzu hätte es keinen Anlass gegeben, wenn eine Beteiligung an den Darlehenszinsen ausgeschlossen gewesen wäre. Dann hätte der Verkaufserlös geteilt werden müssen, während die noch offenen Darlehensverbindlichkeiten allein vom Anteil der Ehefrau abzuziehen gewesen wären.
Berufungsgericht muss ermitteln, ob die Verteilung des Verkaufserlöses die Sache abschließen sollte
Schließlich habe das Berufungsgericht übersehen, dass mit dem Auszug der Ehefrau aus dem gemeinsamen Haus die bis dahin geltende Abrede entfallen sein könnte, wonach die Ehefrau für sämtliche Darlehensverbindlichkeiten alleine aufzukommen habe. Der Rechtsstreit wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen mit dem Hinweis, dass der Tilgungsanteil nicht nach § 784 BGB aufgeteilt werden könne, da nur laufende Kosten der Erhaltung und Verwaltung nach Gesellschaftsrecht zu teilen wären, nicht aber die Kosten der Erstellung des gemeinsamen Gegenstandes.
Das gilt aber nicht für die Zinsen, die Lasten des Grundstückes darstellen und daher nach § 748 BGB verteilt werden könnten. Da diese Regelung jedoch abbedungen werden könne, müsse das Berufungsgericht prüfen, ob die Eheleute eine konkludente Vereinbarung über den Ausschluss der Erstattung, der allein von der Ehefrau steuerlich geltend gemachten Zinsen getroffen hätten, wofür die einvernehmlich gewählte steuerliche Gestaltung der Immobilienfinanzierung sprechen könnte. Weiter sei aber auch zu prüfen, ob durch die Verteilung des Verkaufserlöses eine abschließende Regelung über die streitgegenständliche Forderung getroffen worden sei.
C. Kontext der Entscheidung
Vermögensentflechtung
Die hier besprochene Entscheidung betrifft letztlich die Vermögensentflechtung der getrennt lebendenden Ehegatten. Es gibt keinen Grund, die Abzahlung alleiniger Schulden für ein gemeinsames Grundstück der Eheleute anders zu behandeln, als die Abzahlung gemeinsamer Schulden, die einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich eröffnet. Die Interessenlage der Eheleute ist gleich. Eine „anderweitige Bestimmung“ gem. 426 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass Gesamtschuldnerausgleichsansprüche ausscheiden, kann nach ständiger Rechtsprechung konkludent bzw. stillschweigend getroffen werden.
Ausgleich nicht nur bei gemeinsamem Hauskredit
Der BGH wendet diese Prinzipien richtigerweise umgekehrt auf den Fall an, in dem ein Ehegatte im Einvernehmen mit dem anderen allein ein Darlehen aufnimmt und abzahlt, das beiden Eheleuten dient. Er zeigt die Parallelen zum Gesellschaftsrecht auf: Wenn ein Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft Aufwendungen zur Finanzierung des gemeinsamen Gegenstandes gemacht habe, entspreche es im Zweifel dem Willen der Beteiligten, dass der Vorleistende einen Erstattungsanspruch gegen die übrigen Teilhaber habe (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.1993 – XII ZR 212/90; BGH, Urt. v. 09.10.1991 – XII ZR 2/90; BGH, Urt. v. 28.11.1974 – II ZR 38/73, siehe auch BGH, Urt. v. 21.07.2010 – XII ZR 104/08).
D. Auswirkungen für die Praxis
Grundsätzlich hat jeder Ehegatte für seine Schulden allein einzustehen. Ausnahme: Bei Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs gem. § 1357 BGB. Die vorliegende BGH-Entscheidung erweitert die Ausnahmen. Wever in FamRZ 2015, 995 weist zurecht darauf hin, dass sich nun die Frage stellt, wie die Abzahlung von solchen Krediten zu behandeln ist, die ein Ehepartner für den Konsum beider Eheleute aufgenommen hatte.